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"Buchen steht auf": "Ängste und Sorgen werden ausgenutzt"

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Von Tanja Radan und Rüdiger Busch

Buchen. Die Telegram-Gruppe "Buchen steht auf (offizieller Austausch)", die über 200 Mitglieder hat, lebt größtenteils davon, dass Kritiker der Corona-Maßnahmen entsprechende Beiträge teilen. Es wurden jedoch auch Posts verbreitet, die grenzverletzend sind: So wurde zum Beispiel ein Video von Attila Hildmann weiterverbreitet, gegen den aufgrund rechtsextremer und antisemitischer Äußerungen ein Haftbefehl erlassen wurde. Auch eine Rede von Jürgen Elsässer wurde geteilt. Er ist Chefredakteur des Magazins "Compact", das der Verfassungsschutz als Verdachtsfall eingestuft hat. Auch Diskussionen rund um Reichsbürger fanden statt.

Insbesondere ein Beitrag, der von Christa-Maria Ellenberger erstellt wurde, hat die rote Linie nicht eingehalten: Die frühere Inhaberin der Telegram-Gruppe – am Mittwoch war sie in der Liste der Mitglieder nicht mehr zu finden – rief an Ostern zum "Volksaufstand auch vor Privatwohnungen" auf. Der Aufruf wurde zudem in schwarz-weiß-rot (den Farben der Reichsflagge, Anm. d. Red.) gestaltet. Die Grenze des Erträglichen wurde hier mehr als überschritten.

"Die Beiträge zeigen, dass in der Gruppe bedenkliche Kräfte am Werk sind", bewertet Alexander Weinlein von der Initiative "Herz statt Hetze" die problematischen Posts. "Extremisten beherrschen den Umgang mit digitalen Kanälen aus dem Effeff", sagt Weinlein.

Es würden, so Weinlein, zwei Leinwände bespielt: Auf der einen Seite gebe es die Demos, dahinter befinde sich jedoch die Online-Gruppe. "Bei den Demos laufen Menschen mit, die Ängste haben, und ich habe für alle Verständnis, die aus Besorgnis demonstrieren gehen. Man hätte Unrecht, wenn man sagen würde, dass alle, die bei einer Demo mitgehen, extrem sind", unterstreicht Alexander Weinlein. "Die Leute, die mitgehen, haben jedoch auch die Pflicht, sich über das zu informieren, was online geteilt wird. Man muss schauen, was dahintersteckt", sagt Markus Dosch.

Weinlein und Dosch betonen, dass diejenigen, die mit den Corona-Maßnahmen unzufrieden sind, auf jeden Fall das Recht hätten, die Politik zu kritisieren. "Die Politik soll auch kritisiert werden, jedoch darf man nicht ignorieren, dass der Protest auch Personen eine Bühne bietet, die eine Gefahr für die Demokratie sind", sind sich Dosch und Weinlein einig.

Diese Bühne habe sich mittlerweile vor allem auch ins Internet verlagert. Dosch und Weinlein kritisieren an der Telegram-Gruppe von "Buchen steht auf" insbesondere auch, dass die problematischen Beiträge keinen Gegenwind bekommen hätten. "Die Beiträge wurden unkritisch und unkommentiert stehen gelassen. Es wird erst reagiert, wenn Druck von außen kommt", sagt Alexander Weinlein.

Die Vertreter von "Herz statt Hetze" berichten, dass Online-Gruppen schnell zu einem "diffusen Sammelbecken" werden können. "Dort treffen dann Menschen, die echte Sorgen haben, auf Rechtsextreme, Linksextreme oder auch auf religiöse Fundamentalisten", so Weinlein. Rechtslastige Aktivisten würden die Ängste dann instrumentalisieren, um die Stimmung in der jeweiligen Online-Gruppe "nach rechts" zu lenken. "Auch Pegida hat Ängste ausgenutzt", erklärt Alexander Weinlein.

Dosch und Weinlein sind jedoch nicht gegen den Austausch in Chat-Gruppen: "Bürger, die sich von der Politik nicht mitgenommen fühlen, brauchen eine Plattform, auf der sie sich austauschen können", unterstreicht Weinlein. Dabei dürften problematische Beiträge jedoch nicht ignoriert werden. "Es ist wichtig, dass man den Wahrheitsgehalt der Posts überprüft, wenn man in solchen Gruppen unterwegs ist", betont Dosch.

Die Vertreter von "Herz statt Hetze" kritisieren zudem, dass sich manche Mitglieder der Telegram-Gruppe wiederholt im Ton vergriffen hätten. "Im nettesten Fall kann man die Sprache, die dort verwendet wird, als unfreundlich bezeichnen", meint Weinlein. Und in der Tat sind in der Gruppe sogar Texte zu lesen, in denen die Grenzen des sprachlichen Anstands überschritten und auch verhetzende Begriffe verwendet wurden: Die Polizisten, die auf Demos ihre berufliche Pflicht tun, werden schon mal als "Staatsterroristen" bezeichnet. Es ist von der "asozialen Regierung" und "herrschenden Tyrannen" die Rede. Und ein Lokalpolitiker wird in der öffentlich einsehbaren Gruppe als "Systemtroll" bezeichnet. Auch dies sind Beispiele dafür, dass manche Nutzer der Telegram-Gruppe über Grenzen weit hinausschießen.

Alexander Weinlein und Markus Dosch betonen, dass man die problematischen Beiträge nicht verharmlosen dürfe und fordern auf, genau hinzuschauen. Bei all dem ist es ihnen jedoch wichtig, dass alle Seiten – Demonstranten, Mitglieder der Telegram-Gruppe und Menschen, die dies alles kritisch sehen – miteinander im Gespräch bleiben. "Es wäre ein Fehler, wenn man nicht miteinander sprechen würde", meinen die Vertreter von "Herz statt Hetze".


"Es sind inakzeptable Sachen gepostet worden"

Harald Ackermann und Jörn Glotzbach von "Buchen steht auf" im Gespräch mit der RNZ - Beiträge sollen jetzt moderiert werden

Von Rüdiger Busch und Tanja Radan

Buchen. Die Vorwürfe von Landrat Dr. Achim Brötel ließen an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig: Im Infokanal von "Buchen steht auf" beim Messengerdienst Telegram werden teilweise rechtsradikale und menschenverachtende Posts geteilt. Wir haben daraufhin Kontakt zu den Verantwortlichen von "Buchen steht auf" aufgenommen, die seit Ende Februar wöchentlich Kundgebungen und Demonstrationen in der Region organisieren. Jörn Glotzbach und Harald Ackermann erklärten sich sofort bereit, mit der RNZ über die Vorwürfe zu sprechen. Sie räumten ein, dass es ein Fehler gewesen sei, die fraglichen Posts nicht gelöscht zu haben, sie kündigten an, dass sie und ihre Mitstreiter künftig genau hinschauen wollten, und sie distanzierten sich von extremistischem Gedankengut.

Harald Ackermann arbeitet als Osteopath. Er ist 61 Jahre alt und lebt in Buchen. Der 59-jährige Glotzbach kommt aus Modautal (Landkreis Darmstadt-Dieburg). Den Weg in die Region fand der Diplom-Ingenieur über seine in Buchen wohnende Lebensgefährtin.

Wer steht hinter der Initiative "Buchen steht auf"?

Glotzbach: Wir sind ein kleines Team von sechs Leuten, aber alles privat und keiner Organisation angeschlossen.

Was ist Ihre Motivation?

Ackermann: Vor allem die Masken stören mich sehr, ich vermisse die Mimik und das Lächeln im Gesicht meines Gegenübers. Daneben empfinde ich die zunehmende Spaltung der Gesellschaft als bedrückend. Wenn ich sehe, wie sich Deutschland im letzten Jahr verändert hat, dann ist das sehr deprimierend für mich. Ich bin seit Kurzem Opa, und ich möchte auch deshalb versuchen, dass sich etwas ändert in unserem Land.

Glotzbach: Ich bin absolut davon überzeugt, dass die Covid-19-Erkrankung, die es zweifellos gibt, für etwas anderes genutzt wird, für andere Interessen. Länder wie Schweden, die keine strengen Maßnahmen hatten und haben, weisen trotzdem keine auffällig hohen Sterberaten auf. Auch deshalb fordern wir die Aufhebung der aus unserer Sicht unverhältnismäßigen Corona-Maßnahmen.

Wer verantwortet den Infokanal?

Glotzbach: Den Infokanal gibt es schon länger (Anm. d. Red.: Er wurde von Christa-Maria Ellenberger gegründet). Wir beide gehören nun seit Dienstag auch zu den Administratoren. Es ist ein offener Kanal, es kann jeder eintreten und sich äußern. Die Kritik von Dr. Brötel nehmen wir ernst, und er hat damit absolut recht. Es sind dort in letzter Zeit inakzeptable Sachen gepostet worden, die uns nicht gefallen, die wir für nicht gut halten und die auch nicht zu uns passen.

Wie geht es jetzt weiter?

Glotzbach: Wir haben uns am Dienstag im Orgateam kurzgeschlossen und ausgetauscht. Der Infokanal hat mehrere Ziele: auf unsere Veranstaltungen hinweisen und ein Netzwerk für Menschen aufbauen, die unter den Maßnahmen leiden und sich austauschen möchten. Das ist uns aber entglitten, diesen Fehler müssen wir selbstkritisch einräumen. Wir werden deshalb anfangen, die Beiträge zu moderieren. Zudem ist es auch weiter unser Ziel, mit den Verfassern des "Osteraufrufs" in Diskussion zu treten.

Wo ziehen Sie für sich die Grenze: Welche Posts sind akzeptabel, welche nicht?

Glotzbach: Wenn man es auf die politischen Parteien runterbricht, dann reicht das Spektrum von den Linken bis zur AfD. Alle Parteien in diesem Spektrum halte ich für nicht extremistisch, das sind legitim gewählte Parteien. In diesem Rahmen bewege ich mich, und ich finde in all diesen Parteien Punkte, die ich gutheiße, und welche, die ich ablehne. Was außerhalb dieses Parteienspektrums liegt – also etwa MLDP oder NPD – geht nicht, da hört es bei mir auf.

Würden Sie sich persönlich als rechts einschätzen?

Glotzbach: Eins vorab: Wenn ich auf die großen Demonstrationen gehe, finde ich ein Spektrum von links bis rechts. Den Großteil würde ich aber von der Mitte bis eher rechts einordnen. Das wundert mich, denn die Themen – die Freiheit der Menschen – waren früher eher linke Themen. Ich freue mich über jeden, der die gleichen Ziele wie wir verfolgt – solange es keine Rechtsextremen oder Holocaustleugner sind, da hört es für mich auf. Ich sehe mich als Patriot im positiven Sinne: Ich liebe meine Heimat.

Sind in Ihrer Gruppe Mitglieder, die sich radikalisiert haben?

Ackermann: Nein, ich sehe bei uns keine Rechtsextremen, sondern Menschen, die verzweifelt sind.

Glotzbach: Unter den Leuten, die ich von den Demos kenne, ist keiner rechtsradikal. Ich kann aber natürlich nicht für jeden die Hand ins Feuer legen. Bei den großen Demos halte ich übrigens die große Mehrheit auch für ganz normale Menschen.

Sehen Sie aber die Gefahr, dass Rechtsextreme die Situation nutzen könnten, indem sie Gruppen wie Ihre unterwandern?

Glotzbach: Bei den ganz großen Demos gibt es sicherlich vereinzelt solche Versuche. Allerdings richtet sich der Fokus der Berichterstattung häufig zu stark auf einige Extremisten unter den vielen friedlichen Demonstranten.

Sehen Sie sich als "Querdenker"?

Ackermann: Ich bin eher ein Hinterfrager. Es geht mir darum, die Leute hier in der Region zum Nachdenken anzuregen.

Glotzbach: Wir haben zu der Organisation Querdenken keinen Bezug. Ich bin aber Michael Ballweg (Gründer von Querdenken, Anm. d. Red.) sehr dankbar dafür, dass er diese Demokratiebewegung ins Laufen gebracht hat.

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