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Landtagswahl 2021: Die Bergstraße erdet Grünen-Kandidat Uli Sckerl

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		Landtagswahl 2021:  Die Bergstraße erdet Grünen-Kandidat Uli Sckerl

Von Micha Hörnle

Bergstraße/Neckar. 15 Jahre ist Uli Sckerl schon in der Landespolitik, seit zehn Jahren ist er als parlamentarischer Geschäftsführer und stellvertretender Fraktionsvorsitzender ein ziemlich hohes Tier in Stuttgart. Und doch ist er immer Weinheimer (oder zumindest Bergsträßer) geblieben – die Region erdet ihn. Und als die RNZ den 69-Jährigen auf dem Marktplatz seiner Heimatstadt traf – seine Familie steht nicht gern in der Öffentlichkeit –, da grüßte ihn fast jeder Passant, der an ihm vorbeikam – und zwar meistens mit seinem Vornamen Uli, "Hans-Ulrich" nennt ihn kaum einer. Sckerl mag zwar Ur-Weinheimer sein, sein Vater war es nicht. Der kam aus dem niederschlesischen Schwiebus nach dem Krieg an die Bergstraße, eher zufällig. Das erklärt auch Sckerls ungewöhnlichen Nachnamen. Eigentlich hieß die Familie Scherl, aber die schwungvoll-schnörkelige Schrift eines Standesbeamten machte aus dem h ein k – und das Geschlecht der Sckerls war geboren.

Serie: die Kandidaten privat

In Weinheim wuchs er, wie er sagt, "in bescheidensten Verhältnissen" auf. Er hatte liebevolle Eltern, aber Geld war keines da: "Ich kenne nicht nur die Sonnenseite. Das ist eine gute Schule fürs Leben." Im heutigen Heisenberg-Gymnasium war er ein guter Schüler, aber Sport war seine große Leidenschaft, vor allem der Handball. Eine Rückenverletzung beendete seine Sportlerkarriere, aber inzwischen studierte er Jura. Das erste Staatsexamen machte er, das zweite konnte er aus familiären Gründen damals nicht ablegen: "Heute bereue ich das sehr." Also konnte er nicht Anwalt werden, arbeitete aber in einer Kanzlei, war Berater und Geschäftsführer kleiner Unternehmen, bis er 2006 in den Landtag gewählt wurde. Fünf Jahre versuchte er seinen alten Job noch nebenberuflich weiterzuführen, aber mit seinem Aufstieg in der Landeshauptstadt "konnte ich das nicht mehr leisten". Den Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann kennt Sckerl "seit mindestens 30 Jahren", sie seien Weggefährten mit einem guten Verhältnis, "aber wir sehen uns nicht mehr so oft".

Überhaupt: Landespolitik ist seine Passion: "Berlin, oder früher Bonn, ist zu weit weg. Ich will den Leuten nah bleiben." Schon 1996 und 2001 stellte er sich bei der Landtagswahl auf, es fehlten nur wenige Stimmen, 2006 schließlich klappte es – "auch ohne Kretschmann-Effekt", und das in einem eher schwarzen Wahlkreis: "Darauf bin ich schon etwas stolz. Und es war damals auch meine letzte Chance."

Nun geht er vielleicht nach 15 Jahren in die Verlängerung, "das wäre schön". Seine neuerliche Kandidatur lief anders ab als bei seinem SPD-Landtagskollegen Gerhard Kleinböck, der fast gezwungenermaßen nicht mehr antrat. Denn Sckerl hatte schon frühzeitig, zu Beginn des letzten Jahres, gesagt: "Wenn jemand anderes will, stehe ich nicht im Wege. Aber gemeldet hat sich niemand." Aber wäre es mit fast 70 Jahren nicht an der Zeit, auch mal loszulassen? Nein, findet Sckerl, denn seine Mission ist noch nicht beendet: die Pandemie in den Griff zu kriegen. Seit fast 13 Monaten schlägt er sich vor allem mit Corona herum – und damit, den gesellschaftlichen Zusammenhang zu retten und dem Rechtspopulismus die Stirn zu bieten.

Und worauf ist er in Stuttgart am meisten stolz? "Dass wir die Politik des Gehörtwerdens aufs Gleis gesetzt haben. Der Wissens- und der Erfahrungsschatz der Bürger soll berücksichtigt werden – dann werden auch die Entscheidungen besser." Und so wurde die Gemeindeordnung geändert, damit Bürgerbegehren und Bürgerentscheid leichter möglich wurden. Die dienen als eine Art "Vorwarnsystem" bei besonders umstrittenen Entscheidungen und sollen dabei helfen, dass die Akzeptanz von Beschlüssen steigt. Allerdings sei für ihn "nicht das Ziel, um jeden Preis einen Bürgerentscheid herbeizuführen, das sollte eher die Ausnahme sein". Denn im Grunde schwebt Sckerl eine breiter angelegte Bürgerbeteiligung vor, als sie heutzutage meistens praktiziert wird. So hält er viel vom Prinzip der "Zufallsbürger", die sich zu einem Vorhaben ihre Gedanken machen – und vielleicht andere Lösungen finden als die Verwaltung oder die Kommunalpolitik.

Was sich heute so pragmatisch anhört – und Sckerl darf man getrost diesem Flügel seiner Partei zurechnen – hat allerdings ganz anders begonnen: In seinen frühen Jahren war Sckerl wie viele spätere Grüne, "ganz links", so mit Mitgliedschaft in den K-Gruppen und Demos gegen den Vietnamkrieg. Später engagierte er sich in etlichen Bürgerinitiativen und mischte Weinheim auf. 1979 gehörte er bei den Grünen zu den Gründern – und mit der Partei haderte er vor allem, wenn es "um Krieg oder Frieden" ging, zuletzt beim umstrittenen Kosovo-Einsatz der rot-grünen Bundesregierung 1998. Auf der legendären Bundesdelegiertenkonferenz, auf der der damalige grüne Außenminister Joschka Fischer mit einem Farbbeutel beworfen wurde, stimmte er gegen die Beteiligung der Bundeswehr, trug den Beschluss aber nachher mit.

Aber zunächst engagierte er sich in der Kommunalpolitik, zunächst in seinem damaligen Wohnort Leutershausen: Von 1989 bis 1998 saß er im Hirschberger Gemeinderat, zu dieser Zeit hatten die Grüne Liste dort nur zwei Sitze (heute sind es fünf). Nach einem kurzen Intermezzo in Wiesenbach kehrte er vor 20 Jahren wieder nach Weinheim zurück – und schon 2004 amtierte er wieder im Gemeinderat: "Ich bin wohl einer der wenigen, der in zwei Gemeinden in diesem Gremium vertreten war." 2019 wurde er bei der Kommunalwahl sogar "Stimmen-Vizekönig".

Auch als er längst in der Landespolitik war, dachte er nicht daran, die Kommunalpolitik aufzugeben. Denn er beherzigte den Rat seiner Oma: "Bleibe mit beiden Beinen im Leben." Und derartig geerdet trägt er seine Erkenntnisse auch nach Stuttgart: "Das Land muss auf die Kommunen achten. Wenn es denen gut geht, geht es auch dem Land gut." Deswegen war es für ihn in der Coronakrise auch "extrem wichtig, dass das Land die finanziellen Ausfälle der Städte und Gemeinden kompensiert".

Auch wenn die Landespolitik Sckerls große Leidenschaft ist, es gibt auch noch eine Familie: "Family first, das gilt auch für den Politikjunkie Uli Sckerl." Er ist seit 2005 verheiratet, mit einer Pfarrerin, die zur Zeit in den Weinheimer Schulen tätig ist. Zusammen haben sie einen 13-jährigen Sohn, aus einer anderen Beziehung stammt eine Tochter, die mittlerweile bei Stuttgart Tierärztin ist. Zu beiden hat er "eine liebevolle Beziehung", doch mit seinem Filius, "einer echten Leseratte", teilt er die Begeisterung für geschichtliche Themen. Gerne macht die Familie Ausflüge in der Region, fährt auf "unsere Lieblingsinsel Amrum" oder geht auch mal in Lokalen essen. Darauf freut sich Sckerl mit am meisten, dass er nach Corona wieder mal mehr vom gastronomischen Angebot seiner Heimatstadt hat.

Viel Zeit wird er dafür nicht haben, sollte er am 14. März wieder gewählt werden. Denn auch mit bald 70 Jahren – er hat am 28. April Geburtstag – sieht er sich "nicht als einen Kandidaten auf Abruf": "Ich will es ordentlich machen. Das bin ich den Wählern und der Region schuldig."

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