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Walldürn: "Da platzt mir der Kragen"

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Walldürn. Vor vier Wochen hat sich der Unternehmer Wolfram Fitz ("Wohnfitz") mit einem Antrag auf punktuelle Öffnung seines Möbelhauses an die Politik gewandt. Die hiesigen Abgeordneten sicherten ihm Unterstützung zu, und Bundestagsabgeordneter Alois Gerig (CDU) leitete sein Schreiben postwendend an Wirtschaftsminister Peter Altmaier weiter. Seither hat sich viel getan: Die Infektionszahlen sind zunächst weiter gesunken, jetzt stagnieren sie bei uns. Die Läden sind aber immer noch geschlossen, und auf eine Antwort des Wirtschaftsministers wartet Fitz weiter. Dafür hat Jens Hölper, der Geschäftsführer des Einkaufsverbands Garant-Möbel (Rheda-Wiedenbrück), an Ralph Brinkhaus, den Vorsitzenden der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, geschrieben und eine Mail von Wolfram Fitz angehängt, um zu zeigen, welche Probleme ein typischer deutscher Mittelständler mit der aktuellen Corona-Politik hat. Grund genug, beim 53-jährigen Unternehmer Wolfram Fitz nachzufragen:

Seit Mitte Dezember ist Ihr Möbelhaus geschlossen. Wie schwierig ist die Situation für Ihr Unternehmen?

Unsere Branche ist nicht so stark gebeutelt wie andere, beispielsweise die Gastronomie oder kleine Einzelhändler. Wir haben einen Riesen-Vorlauf – im Küchenbereich etwa neun Monate und im Innenausbau ein halbes Jahr. Aber im reinen Möbelverkauf sind die Aufträge jetzt so langsam abgearbeitet, und es wird Zeit, dass wir endlich wieder Kunden bei uns begrüßen dürfen. Die Probleme treffen uns zeitverzögert, und da unsere Zahlen zunächst noch gut waren, gehen wir bei der Überbrückungshilfe III leer aus. Natürlich trage ich eine große Verantwortung für unsere 130 Mitarbeiter: Aber mir geht es bei der Diskussion nicht in erster Linie um "Wohnfitz", sondern um den Handel an sich, um die vielen kleinen Händler, die mit ihren Sorgen und Nöten kein Gehör finden. Mir, als einem der größten Einzelhändler in der Region Odenwald-Tauber, hört man vielleicht eher zu.

Was ist Ihr Hauptkritikpunkt?

Da muss ich etwas weiter ausholen: 1. Mir ist die Gefährlichkeit des Virus bewusst. Eine Covid-19-Erkrankung kann verheerende Folgen haben. 2. Auch wenn ich nicht alles gut fand, was die Politik während des ersten Lockdowns vor einem Jahr entschieden hat, so konnte ich das meiste doch nachvollziehen. Und Fehler sind in einer solchen Situation, die für alle neu war, entschuldbar.

Aber ...

... was ich nicht entschuldigen kann, ist die Tatsache, dass die Politik nichts daraus gelernt hat. Sie hatte ein halbes Jahr Zeit, um die Risikogruppen in unserer Gesellschaft zu schützen, aber das hat überhaupt nicht funktioniert, wie man beim Blick auf die Todeszahlen leider feststellen muss. Stattdessen wurde eine App auf den Markt gebracht, die nicht richtig funktioniert. Der Impfstoff wurde schnell entwickelt – aber von Wissenschaftlern. Die Politik hat deutlich zu wenig und zu spät bestellt. Die Hotline für die Terminvergabe ist überlastet, es sind nicht ausreichend Tests vorhanden und und und ...

Wie bewerten Sie die Lockdown-Strategie?

Welche Strategie? Für mich ist das ein konzeptloser, desaströser und für viele ruinöser Lockdown. Nehmen wir die Gastronomen, die hat es am schlimmsten getroffen. In den Gaststätten wurden Top-Hygienekonzepte entwickelt und für viel Geld umgesetzt. Jetzt sind sie seit vier Monaten geschlossen. Das hätte man anders regeln können und müssen. Hinzu kommt die Ungleichbehandlung, die zum Himmel schreit.

Was meinen Sie konkret?

Ganze Branchen, ob Einzelhandel, Gastronomie oder Dienstleister, werden dazu verdonnert, ihre Läden zu schließen, zugesagte Hilfen bleiben seit Monaten für viele ein Wunschtraum, und die Supermärkte dürfen alles verkaufen – ohne Hygienekonzepte, ohne eine Beschränkung der Kundenzahl oder des Sortiments. Im Gegenteil: Die Märkte werben noch dafür, dass es Blumen, Klamotten oder Baumarktartikel bei ihnen gibt. Im Blumengeschäft um die Ecke wäre ein Einkauf bestimmt nicht gefährlicher. Doch das muss schließen. In den Supermärkten tummeln sich derweil die Bürger, ohne Abstandsregeln. Obst, Gemüse, Salat und auch Brötchen können angefingert und zurückgelegt werden, Einkaufswagen werden nicht desinfiziert. Da platzt mir der Kragen.

Was könnte die Politik anders machen?

Es gibt viele gute Ideen. Ich denke da z. B. an unseren Landrat Dr. Achim Brötel, der die Impfungen durch Hausärzte ins Spiel brachte, oder an das Tübinger Modell von Boris Palmer, das den Schutz der Älteren in den Mittelpunkt rückt. Problemlos könnte man durch entsprechende Vorgaben den Handel punktuell nach Terminvereinbarung öffnen und würde somit das Infektionsgeschehen nicht befeuern. Darüber hinaus könnte man über verschieden Einkaufszeiten, getrennt nach Alter und Risikogruppe, den Publikumsverkehr im Einzelhandel weiter entzerren. Genauso solche Konzepte hätte man auch für Kindergärten und Schulen entwickeln können. Aber nein, man beharrt weiter stur auf dem bisherigen Kurs, wobei jedem inzwischen bekannt sein sollte, dass wir in Zukunft mit diesem Virus leben müssen.

Und wie kann das gelingen?

Durch die Maßnahmen wurden viele Menschen geschützt, aber sie haben auch viel kaputtgemacht. Die Politik muss auch den Blick auf die Kehrseite der Medaille richten. Bei vielen Menschen liegen die Nerven blank, eminent viele Existenzen sind bedroht, Kinder leiden unter der Situation, dringend notwendige Behandlungen finden nicht statt. Hier muss bei künftigen Entscheidungen viel stärker abgewogen werden.

Wagen Sie eine Prognose: Wann darf der Handel wieder öffnen?

Ich gehe davon aus, dass bei der Bund-Länder-Konferenz nächste Woche die Öffnung beschlossen wird. Etwas anderes ist für mich unvorstellbar.

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