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Vor der Landtagswahl: Wie schlugen sich die grün-schwarzen Ressortchefs?

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		Vor der Landtagswahl:  Wie schlugen sich die grün-schwarzen Ressortchefs?

Von Roland Muschel, Jens Schmitz und Axel Habermehl, RNZ Stuttgart

Stuttgart. Seinen präsidialen Regierungsstil musste Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) mit Beginn der Corona-Pandemie ablegen. Seither ist er als oberster Krisenmanager gefragt.

In den Corona-Schaltkonferenzen der Ministerpräsidenten mit der Kanzlerin gehörte er lange zu denen, die Angela Merkels vorsichtigen Kurs vehement unterstützt haben. Inzwischen setzt er, auch aufgrund wachsenden Drucks des Koalitionspartners CDU, der Wirtschaft und vielen Eltern, eigene Akzente. So geradlinig und so stringent auf Merkel-Kurs wie noch in der Flüchtlingskrise agiert Kretschmann nicht mehr. Die grün-schwarze Koalition hat er durch schwierige Fahrwasser, Stichwort Polizeireform, Stichwort Artenschutz, geführt; je näher der Wahltag rückt, umso schwieriger fällt es ihm indes, die unterschiedlichen Enden zusammenzuhalten. Mit Formaten wie dem Strategiedialog Automobilwirtschaft hat er den Finger am Puls der Wirtschaft, zählbare Ergebnisse müssen aber noch folgen. (mus)

Kaum ein Themenfeld der Landespolitik war beim Regierungswechsel 2016 derart ideologisch zerpflügt wie der Schulbereich. Nach vielen Jahren in der Opposition waren Grüne und SPD von 2011 an mit großem Reformeifer ans Werk gegangen. Die als liberal geltende frühere Stuttgarter Bildungsbürgermeisterin Susanne Eisenmann hatte ganz andere Vorstellungen: Als Kultusministerin war ihr Hauptziel die Steigerung der Unterrichtsqualität. Ihr wichtigstes Projekt war das "Qualitätskonzept", ein Umbau des Verwaltungs-, Unterstützungs- und Fortbildungsapparats hinter den Schulen. Dabei zeigte sie Durchsetzungshärte und Beharrlichkeit. Steigende Schülerleistungen dürften aber erst in Zukunft sichtbar werden. Eisenmann mühte sich auch, den Lehrermangel zu mindern. Nachdem sie sich 2019 im Kampf um die CDU-Spitzenkandidatur für 2021 gegen Thomas Strobl durchgesetzt hatte, war sie viel mit CDU-internen Koordinierungsaufgaben befasst und trat bildungspolitisch weniger in Erscheinung. In der Pandemie geriet Eisenmann wegen des Krisenmanagements erheblich in die Kritik. (hab)

In den vergangenen Jahren hatte es Thomas Strobl (CDU) nicht leicht. Als Landeschef und Vize-Ministerpräsident war er parteiintern Garant für das ungeliebte Zweckbündnis mit den Grünen. In der CDU-Landtagsfraktion schlug dem Heilbronner, der fast zwei Jahrzehnte Bundestagsabgeordneter war, bevor er in die Heimat zurückkehrte, intrigante Skepsis bis offene Ablehnung entgegen. Das Misstrauen gipfelte in seiner Ausbootung als Spitzenkandidat für die Wahl 2021. Dass seine durch ihn geförderte Vertraute Susanne Eisenmann ihm den Job wegschnappte, nagte an ihm. Trotzdem wirkt er seither fast befreit. Als Minister für Inneres, Digitalisierung und Migration verfolgte Strobl einen strammen Law-and-Order-Kurs. Gleich zwei Reformen des Landespolizeigesetzes voller an Freiheitsrechten nicht nur kratzender Befugnisse rang er den Grünen ab. Er führte die Polizei-Strukturreform zu Ende und schuf in großem Umfang Ausbildungskapazitäten. Auch im Bereich Digitalisierung kann Strobl Rekorde vermelden, vor allem im Breitband-Ausbau für schnelles Internet. Nirgendwo wurden so viele Fotos von Förderbescheid-Übergaben an Kommunalpolitiker versandt wie unter ihm. (hab)

Bis zur Corona-Krise konnte Finanzministerin Edith Sitzmann (Grüne) sowohl Mehrausgaben in vielen Bereichen verkünden als auch die erste nennenswerte Tilgung von Altschulden in der Landesgeschichte, immerhin 1,25 Milliarden Euro bis Ende 2019. Die Entwicklung hat sich im Doppeletat 2020/21 ins Gegenteil verkehrt: Die Rekordneuverschuldung von 13,5 Milliarden Euro zur Kompensation von Steuerausfällen und zur Ankurbelung der Wirtschaft, die bis 2050 abgestottert werden muss, stellen eine Herausforderung für die Nachfolger der Ministerin dar, die aus der Politik aussteigt. Das 2016 verkündeten Ziel, bis 2020 strukturell 1,8 Milliarden Euro jährlich einzusparen, hat die Regierung nie ernsthaft verfolgt. Trotzdem wäre Sitzmanns Bilanz ohne Corona hervorragend. In der Krise hat sie indes nicht nur auf Bazooka-Ansagen, sondern generell auf eine prägende Rolle verzichtet. (mus)

Sozial- und Integrationsminister Manfred Lucha (Grüne) dürfte die anstrengendste Legislatur hinter sich haben. Nach der Flüchtlings-Integration 2016 war sein kleines Ressort auch in der Corona-Pandemie federführend – zusätzlich zur Kinderschutz-Kommission und Dauerproblemen wie dem Ärzte- und Pflegekraftmangel. Dass er sich von einem Kabarettisten, den sein Ministerium förderte, zum Abendessen einladen ließ, hätte ihm obendrein beinahe einen Untersuchungsausschuss beschert. Die Neigung zur Hemdsärmligkeit fällt dem 59-Jährigen gelegentlich auf die Füße: In der Corona-Krise fühlten sich Opposition und Medien nicht mit allen Fragen auf Anhieb ernst genommen, auch wenn es im Nachhinein Antworten gab. Abseits dessen gibt es nicht viele Akteure aus Luchas Politikfeldern, die ihm ein schlechtes Zeugnis ausstellen. Der gelernte Krankenpfleger und Gesundheitsmanager hat die Krankenhausfinanzierung deutlich erhöht und lässt bei Themen, die das Land nicht ohne den Bund lösen kann, in zahlreichen Modellversuchen nach Lösungen suchen. (jsz)

In ihrer ersten Amtszeit war Theresia Bauer (Grüne) dreimal deutsche Wissenschaftsministerin des Jahres. In der zweiten dominierte der Untersuchungsausschuss "Zulagen Ludwigsburg" die Schlagzeilen. Die Regierungsmehrheit entlastete Bauer, doch ihr Image als Kronprinzessin des Ministerpräsidenten war deutlich lädiert. Nichtsdestotrotz hat sie viele Vorhaben umgesetzt. Dazu gehört das 2016 gegründete Cyber Valley, einem der größten europäischen Forschungszentren auf dem Gebiet der Künstlichen Intelligenz (KI). Nach diesem Vorbild wurden auch Projekte im Bereich Gesundheitswirtschaft und Mobilität angeschoben. Bauer hat Baden-Württembergs Forschungslandschaft stärker vernetzt und gleichzeitig die ethische Begleitung verbessert, von KI über den Tierschutz bis zur Provenienzforschung an Museen. Trotz erneut gesteigerter Hochschulfinanzierung beklagen die Rektoren eklatante Fehlbeträge. (jsz)

Egal ob es um Wölfe ging oder um Windräder: Franz Untersteller (Grüne), Minister für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft, und sein Kollege für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz, Peter Hauk (CDU), galten lang als Gegenspieler im Kabinett. Das Duo lieferte sich auch öffentlich Streits – bis zum Volksbegehren "Pro Biene" 2019. Angesichts einer drohenden Gesellschaftsspaltung, die Landwirtschaft, Umwelt und seiner Machtbasis gleichermaßen hätte schaden können, wies Ministerpräsident Kretschmann die beiden Ressortchefs an, gemeinsam mit den Initiatoren einen Alternativvorschlag auszuarbeiten. Das gelang. Das Artenschutz-Stärkungsgesetz, das seit 2021 in Kraft ist, ist das ehrgeizigste in Deutschland und befriedete den Konflikt. Untersteller hat zum Ende seiner politischen Karriere die meisten seiner Ziele aus dem Koalitionsvertrag erreicht, dank Corona-Lockdown sogar die Klimaschutzvorgaben. Mit der Windkraft-Quote für Südländer im Bund, einer erhöhten CO2-Einstiegs-Bepreisung und dem weltweiten Klimaschutz-Bündnis Under2 kann er sich auch über Baden-Württemberg hinaus wichtige Erfolge zuschreiben. Er selbst ist der Erste, der betont, dass das Bisherige nicht genügt, um die Erderwärmung ausreichend zu begrenzen. Die Auswirkungen der dritten Dürreperiode in Folge halten aktuell ganz unmittelbar seinen Forstkollegen Hauk in Atem. Baden-Württembergs Wäldern geht es so schlecht wie nie, für seine Besitzer hat das Land umfassende Hilfen bereitgestellt. Parallel lässt Hauk nach Baumarten suchen, die den veränderten Temperaturen der Zukunft standhalten könnten. Die Forstreform und die im Koalitionsvertrag vorgesehene Einrichtung des Staatsforstbetriebes ForstBW sind abgeschlossen. Hauk fördert nach Kräften die Regionalisierung der Lebensmittelerzeugung, musste sich nach jahrelangen Versäumnissen bei der Schlachthofkontrolle aber mehrfach von Tierschützern vorführen lassen, die mit versteckter Kamera unhaltbare Zustände in örtlichen Kleinbetrieben dokumentiert hatten. (jsz)

Egal, ob es um den Dialog mit der Automobilindustrie über die richtigen Zukunftsstrategien, die Förderung von Start-ups oder den Ausbau des sozialen Wohnungsbaus geht: Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut (CDU) ist ein Aktivposten der Landesregierung. Dass es nennenswerte Corona-Hilfen für die Wirtschaft auch aus dem Landesetat gibt, geht nicht zuletzt auf ihren Einsatz zurück. In der Expo-Affäre machte ihr Haus dagegen eine schlechte Figur, insgesamt ist die Durchschlagskraft des kleinen Ressorts begrenzt. So konnte die Verdoppelung der Mittel für Sozialwohnungen gegenüber der vorangegangenen fünfjährigen Legislaturperiode die Not auf dem in den Ballungsräumen überhitzten Mietwohnungsmarkt kaum lindern, bei wichtigen Initiativen – etwa in der Kernbranche Automobil – stiehlt der politischen Seiteneinsteigerin gerne der grüne Ministerpräsident Winfried Kretschmann die Schau. (mus)

Als Spitzenkandidat der CDU bei der Landtagswahl 2016 wurde Guido Wolf für das historisch schlechte Ergebnis seiner Partei in Haftung genommen. Einen Platz am Kabinettstisch sicherte sich der Jurist trotzdem, als Minister verantwortete er das Ressort für Justiz, Europaangelegenheiten und Tourismus. Die Justiz stärkte er, indem er bei Etatverhandlungen in großem Ausmaß Personalstellen erstritt. Unter ihm schritt die Digitalisierung der Justiz voran. Auf Bundesebene trat er mit Initiativen in Erscheinung, etwa gegen Unfall-Gaffer, "Upskirting"-Fotografen oder für mehr Opferschutz. Beim Tourismus konnte Wolf lange Zeit Rekorde vermelden – bis die Corona-Pandemie das jäh beendete. (mus)

Mit weiträumigen Fahrverboten für ältere Diesel-Fahrzeuge in der Landeshauptstadt Stuttgart hat sich der grüne Verkehrsminister Winfried Hermann die Kritik der Opposition wie auch des Koalitionspartners CDU zugezogen. Hermann verweist auf Gerichtsurteile, seine Gegner sehen diese als Folge handwerklicher Fehler. Inzwischen werden die Grenzwerte eingehalten, er führt das auf seine Maßnahmen, die Kritiker auf den Verkehrsrückgang infolge der Pandemie zurück. In die Sanierung von Schienen und Straßen ist seit 2016 mehr Geld geflossen als jemals zuvor. Mit Elan hat Hermann neben dem Ausbau des Radverkehrs auch die Ausschreibung der Bahnnetze betrieben. Beim Übergang gab es indes große Probleme mit Zugausfällen und Verspätungen. Inzwischen hat sich die Pünktlichkeit verbessert. Aber der gesamte öffentliche Nahverkehr, der für die von Hermann angestrebte Verkehrswende zentral ist, leidet seit Corona am Einbruch der Fahrgastzahlen. mus

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