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Faktencheck: Rauchen, Trinken und Autofahren so gefährlich wie Corona?

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		Faktencheck:  Rauchen, Trinken und Autofahren so gefährlich wie Corona?

Von Marco Kreftin

Tübingen. (dpa) Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer ist für provokative Aussagen bekannt. In einem Interview der "Stuttgarter Zeitung" am Dienstag hat er im Zusammenhang mit den Argumenten für strenge Freiheitsbeschränkungen die Gefahren einer Corona-Erkrankung mit jener von Alkohol, Tabak und Autofahren verglichen. Kann man das so pauschal sagen?

Behauptung: "Rauchen, Trinken, Autofahren ist erlaubt, aber für Menschen unter 60 in etwa so gefährlich wie Covid-19."

Bewertung: Schwierig. Tendenziell sterben wie bei Corona auch eher Ältere infolge von Tabak- und Alkoholkonsum. Beim Autofahren sind Todesopfer eher jünger. Die Tücken liegen aber im Detail.

Fakten: Palmer bezieht sich auf Todesfälle, wie er auf Nachfrage erklärte. Etwaige Langzeitfolgen wie eine Querschnittslähmung nach einem Unfall oder Konzentrationsstörungen infolge einer Covid-Erkrankung müssen bei der Betrachtung daher schonmal ausgeklammert werden.

Nach Angaben des Robert Koch-Instituts war die Zahl der Todesfälle im Zusammenhang mit dem Coronavirus in der Altersgruppe ab 60 Jahren mit rund 45.900 ungefähr 30 Mal so hoch wie die jüngerer Gestorbener (Stand Dienstag). Das heißt: Nach absoluten Zahlen ist der Anteil alter Menschen unter den Toten höher als jener der Unter-60-Jährigen. Das Verhältnis gilt aber in etwa auch, wenn man die Zahlen in Relation zur Gesamtzahl aller Menschen in einer Altersgruppe setzt.

Schaut man sich nun Zahlen des Statistischen Bundesamts zu Sterbefällen aus anderen Gründen an, ergeben sich folgende Bilder: Im Jahr 2019 starben demnach 628 Pkw-Nutzer im Alter bis 60 Jahre bei Transportmittelunfällen. 383 - also deutlich weniger - waren älter.

Schon an diesem Beispiel wird aber deutlich, warum die nun eigentlich nötige Einordnung schwierig ist: Das Bundesamt erhebt die Zahlen in diesem Fall in der Kategorie "Transportmittelunfall". Bei "Verkehrsunfällen" wiederum werden nur solche auf öffentlichen Flächen, nicht aber etwa auf Privatgelände gezählt.

Ein weiteres Problem und eine nicht nur rein mathematische Frage ist, in welches Verhältnis man solche absoluten Zahlen setzt: zu allen Menschen einer bestimmten Altersklasse - so wie im Grunde jeder an Corona erkranken kann? Oder bei dem Thema Autofahren nur in Relation zu Inhabern von Führerscheinen? Wobei natürlich auch andere Menschen sich ans Steuer eines Autos setzen und sterben können.

Noch komplizierter wird es nun, wenn man zum Beispiel Angaben zum Rauchen sucht. Das Statistische Bundesamt erhebt Todesursachen zu bösartigen Neubildungen der Bronchien und der Lunge - also Krebs - und zur sonstigen chronischen obstruktiven Lungenkrankheit (COPD). Hier liegen die Zahlen für Sterbefälle unter 60 bei 6035 beziehungsweise 1609 - und damit jeweils deutlich unter den Werten für Über-60-Jährige mit 38.812 beziehungsweise 29.763.

Jedoch betonen die Statistiker, dass diese Sterbefälle "zwar in Verbindung mit dem Rauchen auftreten können, aber die nicht alle ausschließlich auf den Tabakkonsum zurückzuführen sind". Aus dem "Tabakatlas 2020" des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ) geht zumindest hervor, dass Rauchen die Lebenserwartung gerade im hohen Alter erheblich beeinflusst. So verliere im Schnitt zehn Jahre, wer nicht im Alter von 25 bis 34 Jahren mit dem Rauchen aufhöre.

Zudem verweist eine DKFZ-Sprecherin auf eine schon ältere Studie, nach der in Deutschland bei Frauen 17,3 Prozent aller Todesfälle im Alter unter 65 Jahren auf das Rauchen oder Trinken allein oder auf Rauchen plus Trinken zurückzuführen seien. Bei Männern sei mehr als ein Drittel (35,2 Prozent) der Todesfälle im Alter unter 65 Jahren auf Tabak oder Alkohol zurückzuführen.

Achtung: Palmer hatte sich auf die Unter-60-Jährigen bezogen. Da die Studien und Statistiken aber unterschiedliche Altersgruppen auswerten beziehungsweise betrachten, müssen auch hier zumindest Unschärfen beim Vergleichen berücksichtigt oder in Kauf genommen werden.

Ferner hat das Statistische Bundesamt 5592 alkoholbedingte Sterbefälle bei Menschen unter 60 Jahren erfasst. Älter waren 7904. Auch hier ist der Anteil der Über-60-Jährigen also größer.

Doch wieder ist die Sache nicht ganz so einfach: Nach Angaben der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen (DHS) gehen Untersuchungen zu alkoholbezogenen Gesundheitsstörungen und Todesfällen von etwa 74.000 Toten pro Jahr aus, "die allein durch den Alkoholkonsum oder den kombinierten Konsum von Tabak und Alkohol verursacht sind". Andere Statistiken wiesen niedrigere Zahlen auf, weil sie nur Diagnosen berücksichtigten, die zu 100 Prozent auf Alkoholkonsum zurückzuführen seien - wie das Alkoholabhängigkeitssyndrom und Leberzirrhose.

Dabei ist eines zu beachten, wie eine DHS-Sprecherin erklärt: "Eine reine Addition dieser Zahlen ist aus methodischen Gründen nicht zulässig." Glasklare Aussagen sind also quasi unmöglich. Der Überblick über all diese Zahlen kann nur Tendenzen widerspiegeln.

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