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Ohne schnelles Internet: Fernlernen und Homeoffice - Leidensgeschichte im Pleikartsförster Hof

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		Ohne schnelles Internet:  Fernlernen und Homeoffice - Leidensgeschichte im Pleikartsförster Hof

Von Anica Edinger

Heidelberg. Die Tochter hat eine Videokonferenz. Das hat die Lehrerin veranlasst. Auch der Sohn muss fernlernen, ebenfalls per Videokonferenz. Die Mutter arbeitet im Homeoffice. So will es der Arbeitgeber, so will es die Politik, so wollen es die Virologen. Denn die Angst vor neuen, noch ansteckenderen Coronavirus-Mutationen ist groß. Zuhause bleiben und zuhause arbeiten soll der Schlüssel sein zur Virusbekämpfung. Doch was, wenn das nicht geht? Wenn täglich das Internet streikt, die Verbindung zu langsam ist? Was, wenn man in einem "weißen Fleck" lebt, einem Ort also, an dem das schnelle Internet heute noch immer nicht angekommen ist? Was, wenn man im Pleikartsförster Hof lebt?

Rund 200 Menschen sind dort, im Norden Kirchheims, zuhause, darunter viele Familien mit schulpflichtigen Kindern. Ob sie am Fernunterricht teilnehmen können oder nicht, das ist jeden Tag aufs Neue ein Glücksspiel. Karin Wilke kann ein Lied davon singen. Sie lebt mit ihrer Familie samt zwei Kindern – einer Tochter und einem Sohn – seit vielen Jahren auf dem Pleikartsförster Hof. Sie berichtet: "Die Videokonferenzen laufen ruckelig. Mit viel Glück und ohne Bild schafft man es, nicht alle paar Minuten rauszufliegen." Sie muss derzeit wie viele Eltern mit schulpflichtigen Kindern im Homeoffice arbeiten. Die Internetverbindung, sagt sie, "ist einfach eine Katastrophe".

Das unterstreicht auch Klaus Gassmann, Musiker, Geschäftsführer von Sweet Soul Music und ebenfalls Bewohner im Pleikartsförster Hof. Die Situation mit dem Internet sei einfach "kein Zustand". Er hat für sich und seine Frau einen Hybridanschluss – also über LTE verstärktes Internet – zugelegt. Er weiß aber auch: "Dafür braucht man wieder einen neuen Router, das kann Wochen oder Monate dauern. Und nur die Telekom bietet das an. Wer einen anderen Anbieter hat, kann gar nichts tun."

So wie Karin Wilke. Sie ist nun dazu übergegangen, sich in Videokonferenzen mit dem Handy einzuwählen. Und auch das funktioniert mehr schlecht als recht. Denn: "Auch LTE ist hier nicht besonders gut." Ihre elfjährige Tochter Greta drückt die Misere so aus: "Das Internet hier ist blöd – erst Recht fürs Homeschooling." Wilke nahm ihr Kind deshalb diese Woche einige Male mit zu ihrem Arbeitsplatz in die Innenstadt. Denn dort konnten beide ohne Internetprobleme arbeiten und lernen. "Das geht aber auf Dauer natürlich nicht und ist epidemiologisch auch nicht sinnvoll", so Wilke. Doch die Familie hat vorerst keine andere Wahl. Denn bis das schnelle Internet in den Pleikartsförster Hof kommt, dauert es noch.

Jedenfalls wird derzeit – seit Anfang Dezember – zwischen Pleikartsförster Hof und Pfaffengrund ein Glasfaserleerrohrbündel verlegt, das an das Netz im Pfaffengrund angeschlossen werden soll. "Mit einer Inbetriebnahme der schnellen Anschlüsse in diesem Anschlussbereich rechnen wir derzeit im Frühsommer dieses Jahres, wenn uns die Witterung und auch Corona keinen Strich durch die Rechnung machen", ist von der Telekom zu erfahren. Ansonsten sei der Ausbau in Heidelberg im Plan. Aktuelle Informationen gebe es auf dem Telekom-Blog dazu unter www.telekom.de/heidelberg. Der Gesetzgeber hat geregelt, dass die Bereitstellung von Telekommunikationsdienstleistungen privaten Anbietern – wie der Telekom – obliegt.

Kommunen sind also häufig die Hände gebunden, wenn es ums Netz geht. Sie dürfen nur dann selbst aktiv werden, wenn kein Anbieter innerhalb von drei Jahren ausbaut oder die Geschwindigkeit des Internets unterhalb von 30 Mbit pro Sekunde, seit 2019 unter 50 Mbit pro Sekunde, liegt. Wenn beides zutrifft, spricht man von einem "Marktversagen" – die betroffenen Areale nennt man dann "weiße Flecken". In Heidelberg gibt es "weiße Flecken" in Teilbereichen von Schlierbach, Ziegelhausen, Südstadt, Rohrbach, Rohrbach-Süd, Bahnstadt, Grenzhof, Kurpfalzhof, Kohlhof, Königstuhl, Im Neurott sowie in Teilen des Gewerbegebietes Pfaffengrund und Wieblingen. Dort schließt die Stadt im Zuge ihres eigenen Breitbandausbaus rund 1150 Adresspunkte mit rund 2500 Gebäuden für um die 6000 Bürgerinnen und Bürger an. "Der Netzausbau liegt in den letzten Zügen, erste Teilnetze wurden bereits an den Betreiber übergeben und wiederum Teile davon werden in den kommenden Wochen in Betrieb gehen", so die Stadt. Allerdings: Der Pleikartsförster Hof ist nicht dabei. Schließlich hat die Telekom ja angekündigt, auszubauen.

Stefan Auditor ärgert dieses Vorgehen. Auch er lebt im Pleikartsförster Hof. Auch er hat Kinder, die im schulpflichtigen Alter sind und Fernunterricht haben. Auch er arbeitet im Homeoffice. Jedenfalls, wenn das Internet mitmacht. "Wir brauchen Glück, dass unsere Konferenzen nicht alle zur gleichen Zeit sind", berichtet Auditor. Und wenn doch: "Dann ist das Bild schlecht, es ruckelt, man hört nichts – oder man fliegt raus." Auditor befasst sich mit der Internetverbindung im Pleikartsförster Hof nicht erst seit der Corona-Krise. "Als im letzten Jahr der geförderte Breitbandausbau durch die Stadt geplant wurde, hatte ich beantragt, den Pleikartsförster Hof aufgrund Marktversagens anschließen zu lassen. Dem wurde nicht stattgegeben, da die Telekom – jetzt zum dritten Mal innerhalb von zwei Jahren – die Hand auf unsere Anschlusskästen gelegt hat und behauptete, den Ausbau zeitnah vorzunehmen." Geschehen sei seither bekanntlich: nichts.

Wilke findet: "Die Anbindung an schnelles Internet darf nicht vom Stadtteil abhängen." Zumal der Pleikartsförster Hof nicht abgelegen am Ende der Welt liege – "sondern in Heidelberg". Vor allem für ihre und die vielen anderen Kinder sieht sie in Zeiten von Schulschließungen massive Nachteile beim Lernen. Wilke: "So sieht Chancengleichheit nicht aus."

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