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Baum oder. Bauen: Das steckt hinter Baumfällungen in Heidelberg

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		Baum oder. Bauen:  Das steckt hinter Baumfällungen in Heidelberg

Von Anica Edinger

Heidelberg. Die Stadt soll grüner, gesünder, vor allem aber klimafreundlicher werden. Deshalb soll ab 2021 ein "Klimawäldchen" in jedem Stadtteil angelegt werden. Nur: Die Redaktion erreichen beinahe wöchentlich Anrufe von verärgerten Leserinnen und Lesern – die sich nicht über gepflanzte, sondern über gefällte Bäume beklagen. Wie kann das sein in der "Klimahauptstadt Heidelberg"? Über das Spannungsfeld Baum und Bauen, Auswirkungen des Klimawandels und über falsche Absichten von Beschwerdeführern spricht Klimabürgermeister Raoul Schmidt-Lamontain im Interview.

Herr Schmidt-Lamontain, für ein Bauvorhaben sind erst kürzlich zahlreiche Bäume an der Klinik St. Elisabeth gefällt worden. Ist das mit dem Klimaschutzaktionsplan der Stadt vereinbar?

Meiner Meinung nach ganz klar: Ja. Natürlich sollte man bei jedem Baum hinschauen und hinterfragen, ob das wirklich sein muss, dass er gefällt wird. Aber andererseits stehe ich – solange man an dem Konzept der wachsenden Stadt festhält – zu dem Grundsatz: Innenentwicklung vor Außenentwicklung. Das heißt: Lieber im Innenstadtbereich nachverdichten, als in der Peripherie landwirtschaftliche Flächen für Bauvorhaben zu versiegeln.

Baumfällungen werden also geduldet als Kollateralschaden etwa des Wohnungsbaus – wie bei dem Projekt im Wieblinger Dammweg?

Das ist genau das Spannungsfeld: Heidelberg ist eine wachsende Stadt und bei vielen Potenzialflächen für Wohnungsbau, Gewerbeflächen oder Verkehrsbauvorhaben stehen Bäume im Weg, um die man nicht immer herum planen kann. Darüber wurden schon immer leidenschaftliche Debatten geführt. Und das wird wohl auch so bleiben, denn dieses Spannungsfeld ist eigentlich nicht aufzulösen. Hier muss ein Aushandlungsprozess stattfinden, der manchmal gelingt und manchmal auch an der Kompromisslosigkeit einiger Beteiligter scheitert.

Aber könnte man nicht mit Blick auf den Klimawandel und die Bedeutung von Innenstadtgrün versuchen, mehr Bäume zu erhalten?

Wir gehen da heute schon sehr weit: An der Stadthalle nehmen wir beispielsweise hohe Umplanungskosten zugunsten des Baumerhalts in Kauf. In der Verwaltung wird wirklich um jeden Baum gekämpft. Wir wollen es künftig aber auch stärker bei den Bauträgern einfordern, dass Bäume – vor allem große und alte – erhalten werden. Es muss noch stärker in die Köpfe rein, dass jeder Baum für das Mikroklima in der Innenstadt gut ist. In vielen Fällen kann man mit ein wenig Kreativität und Nachdenken Bäume erhalten, indem man von vorneherein anders an die Planung rangeht. Darüber müssen wir hier in der Stadt reden.

Ist das das einzige Instrument, das die Stadt bei Bauvorhaben von externen Bauträgern hat: darüber reden?

Tatsächlich genießen Bäume per se keinen großen Schutz in der Landesbauordnung. Fällungen muss man sich mit dem Bauantrag vom Amt für Baurecht und Denkmalschutz genehmigen lassen – Schutzstatus genießen aber eigentlich nur Naturdenkmäler. Davon gibt es etwa 70 bis 80 in der Stadt. Das Umweltamt allerdings kann Ausgleichspflanzungen nach der Baumschutzsatzung fordern – und tut das auch. Jedoch verhindert auch das nicht völlig, dass in der Stadt gefällt wird. Aber klar ist auch, dass wir weitere rechtliche Möglichkeiten ausloten müssen, wenn wir insbesondere große, alte Bäume schützen wollen.

Sind Bauvorhaben der Hauptgrund, weshalb Bäume gefällt werden?

Nein. Viel mehr Bäume müssen gefällt werden, weil sie schlicht abgestorben sind. Dafür verantwortlich sind die Hitzesommer der vergangenen Jahre und die damit einhergehende Trockenheit. Das hat uns viele Bäume gekostet – rund 300 allein 2019, und 377 im Jahr davor. Auch deshalb wird natürlich um jeden Baum gerungen. Und man muss auch sehen: Niemand zählt die Bäume, die wir erhalten konnten durch Umplanungen oder intensive Bewässerung. Das sind nämlich auch eine Menge.

Wenn Bäume krank oder geschädigt sind: Gibt es Möglichkeiten, sie zu heilen?

Die Standortbedingungen von Stadtbäumen sind nicht mit denen im Wald oder auf dem freien Feld zu vergleichen. Wenig Platz für Wurzeln und Kronen, schlechte Böden, miserable Wasserversorgung, mechanische Verletzungen, Salzschäden und hohe Umgebungstemperaturen – all das beeinträchtigt deren Vitalität. Der Versuch, einen innerstädtischen alten Baum durch Bewässerung zu retten, scheitert bereits daran, dass es bei einer größtenteils versiegelten Umgebung nicht möglich ist, Wasser zu den tiefer liegenden Wurzeln zu bringen. Die Strategie ist dennoch, den Baum am Leben zu halten – so lange es irgendwie geht. Da die Stadt in jedem Fall vermeiden muss, dass Menschen zu Schaden kommen, bedeutet dies eine sehr aufwändige Kontrolle und meist Entlastungsschnitte in der Krone. Bäume lassen sich so oft noch mehrere Jahre erhalten.

In welchen Stadtteilen müssen denn derzeit zugunsten von Bauvorhaben besonders viele Bäume gefällt werden?

Im Neuenheimer Feld und auf den Konversionsflächen in der Südstadt. Wobei wir gerade dort bei den Neubauten an der Römerstraße auch die Baukante noch einmal versetzt haben – so konnten viele Bäume erhalten werden.

Sie sind erst seit wenigen Wochen im Amt – mussten Sie sich schon mit Beschwerden zu gefällten Bäumen beschäftigen?

Ja klar. Das war jetzt schon zwei, drei Mal so. Das Thema schlägt häufig hohe Wellen – weil das Konfliktpotenzial einfach riesig ist. Man muss aber auch genau hinschauen, worum es dem Beschwerdeführer wirklich geht. Grundsätzlich unterstütze ich das Ringen um jeden Baum in der Stadt, aber manchmal sollen auch nur Bauvorhaben unter dem Deckmantel des Naturschutzes gestoppt werden, wo es eigentlich nur um Eigeninteressen geht – zum Beispiel darum, dass man sich nicht die Aussicht verbauen lassen will. Das ist nichts per se Schlimmes, aber ich finde, man muss bei der Debatte um Klimaschutz auch ehrlich bleiben.

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