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Eberbach: Laura Noll legt mit "Der Tod des Henkers" ihren ersten Roman vor

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		Eberbach:  Laura Noll legt mit

Von Jutta Biener-Drews

Frau Noll, Sie haben Altphilologie, Alte Geschichte und Theologie studiert und unterrichten Latein und Religion an einem Gymnasium. Wie hoch im Kurs stehen bei Ihnen Krimis?

Laura Noll: Schon seit meiner Kindheit habe ich viel für Spannungsliteratur übrig. Ich finde diese Art von Büchern auch gar nicht unbedingt banal; sie erfüllen ein menschliches Grundbedürfnis nach Nervenkitzel, ohne dass man sich dafür wirklich in Gefahr begeben muss. Gut gemachte Thriller und Krimis haben einen festen Platz auf meinem Nachttisch!

In "Der Tod des Henkers" geht es um das 1942 in Prag verübte Attentat auf SS-Obergruppenführer Reinhard Heydrich. Was hat Sie dazu bewogen, diesen Stoff in einen Kriminalroman zu packen?

Ich bin bei Recherchen zu einem anderen Thema darauf gestoßen. Die Person des Ermittlers hat mich in ihrer Ambivalenz fasziniert: Einerseits ist er Handlanger des mörderischen Systems, andererseits versucht er, nach seinen Möglichkeiten sauber zu arbeiten und zu ermitteln. Die Geschichte des Attentats und der Ermittlungen hat mich danach nicht mehr losgelassen, und daraus ist die Romanidee erwachsen. Ich sehe das Buch eher als Thriller, wobei Spannung und das Ausloten von Figuren nicht unbedingt ein Gegensatz sein müssen. Die Geschichte war auch real spannend.

Protagonist Ihres Buches ist der mit den Ermittlungen betraute Gestapokommissar Heinz Pannwitz. Sie stützen sich auf den 1957 von Pannwitz selbst verfassten Bericht über das Attentat, erschienen 1985 in den "Vierteljahresheften für Zeitgeschichte". Wie eng halten Sie sich an Ihre Vorlage?

Eng. Den Verlauf der Ermittlungen habe ich ziemlich genau nachgezeichnet, darüber hinaus habe ich versucht, ihm eine Stimme zu geben, die seine eigene Zerrissenheit zeigt. Der Bericht selbst wirkt häufig recht distanziert, was man sicher nachvollziehen kann. Jedoch konnte ich anhand von Details rekonstruieren, dass sich Pannwitz im Rahmen seiner Möglichkeiten zumindest bei der Behandlung seines Gegners auf tschechischer Seite fair verhalten hat.

Ein Gestapo-Mann als Ich-Erzähler: Pannwitz tritt uns in Ihrem Buch als Mann mit zutiefst humanen Zügen und hohem Berufsethos entgegen, ein studierter evangelischer Theologe. Der damalige Studentenpfarrer und spätere Widerstandskämpfer Dietrich Bonhoeffer wirft ihm vor, immer den Weg des geringsten Widerstands zu gehen, Pannwitz gibt ihm recht. Aber Pannwitz ist ein gläubiger Mensch, und das Gebetszitat von Bonhoeffer, "Ich verstehe deine Führung nicht, aber du weißt den Weg für mich", taucht leitmotivisch immer wieder auf. Was hat Sie an dieser Figur gereizt?

Als Theologin ist mir das Gefühl vertraut, dass man einerseits weiß, was Gott von den Menschen wünscht, aber aus den verschiedensten Gründen nicht in der Lage ist, das zu erfüllen. In Pannwitz’ Fall – und ich spreche hier ausdrücklich von der Romanfigur – liegt es an seinem mangelnden Mut und eben seiner Eigenschaft, lieber den einfachen Weg zu gehen als sich selbst in Gefahr zu begeben. Ich denke, dass das oft gezeichnete Bild des völlig entmenschten Monsters für Autor und Leser zwar sehr reizvoll ist, aber in der Realität gab es sicher eine Mehrheit, die eher aus Feigheit als aus Sadismus Wasserträger oder sogar Scherge des Regimes war.

Andererseits gibt es vor allem im englischsprachigen Raum Romane wie Philipp Kerrs Bernie-Gunther-Reihe, die ganz selbstverständlich aus der Perspektive eines Gestapokommissars erzählt, der aber sehr subversiv agiert und das System, wo er kann, zu stören versucht. Pannwitz liegt irgendwo dazwischen, er ist weder ein besonders guter noch ein besonders schlechter, sondern ein "normaler" Mensch mit guten und schlechten Eigenschaften, der sich aus einer Charakterschwäche heraus vereinnahmen lässt, obwohl er im Innersten weiß, dass er auf der falschen Seite steht.

Sind Sie darauf gefasst, dass Ihr Buch als rechtslastig gedeutet werden könnte?

Darüber habe ich mir natürlich auch Gedanken gemacht. Aus der Sicht des Nazis zu erzählen: In der deutschen Literatur gibt es da nachvollziehbarerweise Scheu. Allerdings ist der Roman bei einem absolut seriösen Verlag erschienen, der keiner rechtsgerichteten Tendenzen verdächtig ist. Und wenn man das Buch liest, kann man, denke ich, auch die Abscheu des Kommissars vor seinen eigenen Leuten spüren und seinen Respekt vor den eigentlichen Widersachern.

Darüber hinaus ist es mir aber tatsächlich ein Grundanliegen, dass nicht jeder, der dem Naziregime geholfen hat, ein Monster war. Diese Annahme finde ich sogar gefährlich, denn sie schafft eine Distanz: Zu glauben, dass nur abgrundtief böse Menschen schreckliche Dinge tun können, wiegt uns in einer Sicherheit, die es so nicht gibt. Wenn wir uns selbst für bessere Menschen halten als unsere Vorfahren, verschließen wir die Augen davor, dass institutionalisiertes Unrecht auch heute immer noch genauso geschehen kann wie vor 80 Jahren. Menschenverachtung ist die Grundlage für solches Unrecht, und die kann man jeden Tag beobachten.

Sie konnten als Gewinnerin 2018 des vom Verein "Mörderische Schwestern" vergebenen Arbeitsstipendiums ihren ersten Roman realisieren. Es handelt sich dabei um eine gezielte Förderung von Frauen, die Spannungsliteratur verfassen. Wie lange haben Sie an dem Buch gearbeitet?

Das Arbeitsstipendium ist gerade für Frauen mit Kindern eine großartige Sache, denn wir können uns nicht, wie es bei Schreibstipendien oft üblich ist, als Stadtschreiberin einfach mal für drei Monate von Alltag und Familie verabschieden. Ich konnte einen Teil meiner angesparten Elternzeit nutzen, um mich – zumindest vormittags – auf das Schreiben zu konzentrieren. Insgesamt habe ich zwar lange recherchiert und über das Buch nachgedacht, der Schreibprozess selbst jedoch hat tatsächlich relativ kurz gedauert, etwa vier Monate.

Sie sind Gymnasiallehrerin, Mutter dreier Kinder und Autorin. Wie kriegen Sie das alles unter einen Hut?

Man muss natürlich irgendwo Abstriche machen, und der Leidtragende ist dann meistens der Haushalt. Meine Familie bekommt nur in Ausnahmefällen gebügelte Kleidung… Aber insgesamt kann ich mich einigermaßen strukturieren beim Arbeiten und muss nicht auf Inspiration warten. Es hilft, einfach loszulegen. Selbst wenn man dann am Ende des Tages mit dem Ergebnis nicht zufrieden ist, hat man zumindest eine Arbeitsgrundlage!

Sie sind in Eberbach aufgewachsen und zur Schule gegangen. Welche persönliche Beziehung haben Sie zur Neckarstadt?

Die Zeit am Hohenstaufen-Gymnasium war für mich sehr prägend. Ich hatte das Glück, sehr ermutigenden und inspirierenden Lehrerpersönlichkeiten zu begegnen. Die Lateinstunden sind mir in lebhaftester Erinnerung, und aus diesem Grund bin auch selbst Lateinlehrerin geworden. Meine Deutschlehrer haben so viel Begeisterung für Literatur versprüht, dass sie auch in mir die Begeisterung für Literatur geweckt haben. Darüber hinaus wohnen meine Eltern noch in Eberbach und freuen sich natürlich, wenn ich mit den Enkeln zu Besuch komme, und wenn die Kinder im Garten mit den Hühnern spielen..

Gibt es hier einen Lieblingsort, mit dem Sie besondere Erinnerungen verbinden?

Auf jeden Fall! Ich habe mich schon immer gern in der Natur aufgehalten, und wenn ich mir einen klassischen locus amoenus vorstellen sollte, wäre das für mich der Breitenstein. Ich kenne kaum eine Landschaft, die sich damit messen kann – vor allem im Frühherbst – und ertappe mich auch heute noch dabei, dass ich Orte mit dem Breitenstein vergleiche (die meisten verlieren dagegen).

Info: Laura Noll, Der Tod des Henkers, Gmeiner-Verlag Meßkirch, 416 Seiten, ISBN 978-3-8392-2700-8

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