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Odenwälder Freilandmuseum: Hier haben Honigbienen ein naturnahes Zuhause (plus Fotogalerie)

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		Odenwälder Freilandmuseum:  Hier haben Honigbienen ein naturnahes Zuhause (plus Fotogalerie)

Gottersdorf. (jam) "Die Bienen sind als Dauerbewohner so gut wie ganz aus den Wäldern verschwunden." Diese dunkle Einschätzung gab der weltweit angesehene deutsche Bienenkundler Enoch Zander in der Endphase des Zweiten Weltkriegs ab. Der Todesstoß für die einzige einheimische Honigbiene, die Dunkle Europäische Biene, kam dann 1975, als die letzte Mellifera-Population verschwand. Seitdem gilt die Unterart in Deutschland als ausgestorben. So weit hätte es nicht kommen dürfen, findet Benedict Vierneisel. Er betreibt in Rippberg den Natur- und Erlebnisgarten "Bienenweide" als Paradies für die heute in Deutschland gehaltenen Honigbienen. Außerdem bringt er in Gottersdorf als Museumsimker seine Expertise ein. Er setzt sich dafür ein, Bienen ein artgerechtes Leben zu ermöglichen – und dazu gehört, ihnen eine naturnahe Behausung anzubieten. Wie erfolgreich eine solche "Rückkehr zu den Wurzeln" für die Bienen sein kann, testet er aktuell im Odenwälder Freilandmuseum.

"Das Freilandmuseum ist ein gutes Podium, um dieses Experiment zu wagen", sagt die Museumsleiterin Margareta Sauer, die selbst Feuer und Flamme für das Projekt ist. Vierneisel und sie höhlten einen Holzstamm nach den strengen Kriterien der aktuellsten Bienenforschung aus und stellten ihn in der Baulandgruppe des Museums auf. "Dahinter steht eine solide wissenschaftliche Grundkenntnis", verspricht der Museumsimker. Inzwischen hat dort ein Bienenschwarm ein neues naturnahes Zuhause gefunden.

"Bienen sind eigentlich Waldinsekten", erklärt Sauer. Sie haben nahezu über den gesamten Zeitraum ihrer erdgeschichtlichen Entwicklung im Wald gelebt. In diesem Lebensraum wählen sie Baumhöhlen in fünf bis sieben Metern Höhe als Behausung – zumindest taten sie das, bis der Mensch sie kultivierte. Nachdem die Biene Jahrtausende als Wildtier erfolgreich war, begannen sogenannte Zeidler damit, den wild in natürlichen Baumhöhlen lebenden Bienen Honig zu entnehmen. Später lockten sie die Schwärme in künstlich angelegte Baumhöhlen, bevor die ersten Imker dazu übergingen, Schwärme in sogenannten Klotzbeuten beziehungsweise Stroh- oder Weidenkörben in besserer Reichweite anzusiedeln.

Die Erfindung der beweglichen Wabe besiegelte ab 1850 das Schicksal der Wildbienen. Denn die Veränderungen in der Imkerei und ein Wandel im Landbau offenbarten, dass die Wildbienen sich aus wirtschaftlicher Sicht nur bedingt eigneten. Auf der Suche nach einer "optimalen Biene", die unter den neuen Verhältnissen maximale Honigerträge erbringt, importierte man fremde Bienenrassen und schuf Hybridrassen, bis die ursprünglich heimischen Dunklen Bienen verdrängt waren.

Die verbliebenen Unterarten fristen inzwischen ihr Dasein als Nutztiere. Aus volkswirtschaftlicher Sicht sind nur noch Rind und Schwein wichtiger für den Menschen. Das liegt nicht an der Honigproduktion, sondern an der Bestäubungsleistung, die den Wert des Honigs um mindestens das Zehnfache übersteigt. Trotzdem haben es sich manche Imker zur Aufgabe gemacht, gewisse Eigenschaften, die einer Ertragsoptimierung entgegenstehen, herauszuzüchten. Denn: "Für hochgezüchtete Stockmuttern werden horrende Summen gezahlt", erklärt Vierneisel.

Doch der Eingriff des Menschen in das genetische Potenzial der Honigbiene hat Konsequenzen: "Ohne Imker können die Völker kaum überleben", sagt Vierneisel. Es gibt kaum noch natürliche Nistmöglichkeiten, außerdem kommen die Bienen nicht alleine mit den von außen eingeschleppten Parasiten wie der Varroamilbe zurecht. Wirksame Abwehrmechanismen gegen den Parasiten haben sich bisher noch nicht herausgebildet. Daher fällt Vierneisel ein vernichtendes Urteil: "Die moderne Imkerei hat ein Problem im System. Der Mensch hat sich in den vergangenen 200 Jahren so sehr in die Genetik eingemischt, dass die Hauptpopulation nun gänzlich in der Hand der Imker ist."

So sei es nur dank Behandlung möglich, die Bienen über längere Zeit in dieser Kiste zu halten, erklärt der Museumsimker und zeigt auf eine klassische Magazinbeute, die Museumsbesuchern die Unterschiede zwischen der ertragsoptimierten und der natürlichen Unterbringung vor Augen führen soll.

Vierneisel kritisiert unter anderem die rechteckige Form dieser Magazinbeute: "In den Ecken ist es immer kalt. Dann bildet sich Kondenswasser, und die hohe Luftfeuchtigkeit begünstigt die Schimmelbildung." Der massive Klotz der natürlichen Behausung könne dagegen sehr viel Feuchtigkeit aufnehmen. Und das ist nötig: Der Stoffwechsel der Bienen lässt für jedes Kilogramm, dass die Insekten an Futter aufnehmen, 700 Milliliter Wasser entstehen.

Dieses vorteilhafte Feuchteverhalten und die bessere Wärmedämmung von Holz machen sich in konkreten Zahlen bemerkbar: "Im Magazin liegt der Honigverbrauch für einen Winter bei etwa 18 bis 20 Kilogramm, im Baum dagegen nur bei zwei bis vier Kilogramm", sagt Vierneisel. Dieser Unterschied lässt sich nur zu einem Teil über die geringere Schwarmgröße erklären. Vielmehr muss das Volk für die Brut permanent eine Temperatur von 35 Grad vorhalten, weil sich ansonsten schnell Schäden bilden. Da Bienen ihre Behausung per Muskelkraft ventilieren und temperieren, erklärt sich so der höhere Energiebedarf in der Magazinbeute. Die Honigbienen führen den Wärmeausgleich in weniger geeigneten Beuten also mit einem erhöhten Stoffwechsel herbei, der allerdings mit einer geringeren Lebenserwartung einhergeht.

Und der Naturnistplatz hat weitere Vorteile: "In der Magazinbeute kann sich der natürliche Feind der Varroamilbe nicht ansiedeln", erklärt Vierneisel. Dagegen hoffen er und Sauer, dass die natürliche Behausung einladender auf diese Schädlingsbekämpfer wirkt. "Mit etwas Glück zieht der Bücherskorpion ein", sagt Sauer. Er könne die Varroamilben "in Schach halten".

Doch nicht nur die Behausung selbst ist Teil des Experiments im Freilandmuseum. "Wir wollen keinen Honig entnehmen", sagt Margareta Sauer. So vermeide man, dass bei dem Schwarm mit seinen rund 20.000 bis 30.000 Bienen "ein Mangelgefühl entsteht. Die Bienen haben so weniger Stress und mehr Zeit, sich und den Stock zu pflegen", sagt die Museumsleiterin.

Mit einem einzelnen Naturnistplatz soll das Experiment "Biene" im Odenwälder Freilandmuseum jedoch nicht enden. Margareta Sauer möchte an der Kooperation mit Museumsimker Benedict Vierneisel festhalten, weitere Bienenführungen anbieten und im kommenden Jahr eine der optimierten Klotzbeuten in einigen Metern Höhe an einem Baum aufhängen. So kann das Freilandmuseum dazu beitragen, dass in Gottersdorf die Biene Biene sein darf.

Einigen wenigen Völkern ist das bereits ohne Hilfe gelungen. Während man lange geglaubt hatte, dass es keine Wildbienen mehr gibt, haben jüngere Untersuchungen gezeigt, dass doch einige "entwischte Bienenschwärme" erfolgreich in natürlichen Bruthöhlen in den Wäldern überleben. Benedict Vierneisel weiß von mindestens fünf freien Bienenvölkern rund um Walldürn – die genauen Standorte behält er jedoch für sich.

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