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Heidelberger Theater: "Goethe! Goethe spielt an seiner Flöte"

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		Heidelberger Theater:

Von Matthias Roth

Heidelberg. Wer solche Darsteller hat, muss sich um das Theater keine Sorgen machen. Auch nicht in Zeiten von Corona. Denn gerade bei sogenannten "kleinen" Produktionen zeigt sich, was sie können. Das sieht und hört man derzeit bei der Romantik-Revue "Der Mond rauscht durch das Neckartal", die im Alten Saal des Heidelberger Theaters für je ca. 80 Besucher pro Vorstellung geboten wird.

Der Titel ist einem "Volksgedicht" des Tübingers Christian Späth entnommen, der sich selbst als "Gog" (Weingärtner), Ochsenmetzger und Poet bezeichnete und 1883 seine "gesammelten Werke" publizierte. Der zitierte Vierzeiler geht so: "Der Mond rauscht durch das Neckartal / Die Wolken sehen aus wie Stahl / Und in den Straßen sieht man nix / Als nur die Tücke des Geschicks". Das sagt schon viel, ja fast alles über Naturverliebtheit und beginnende Moderne sowie die Ambivalenz von Komik und Schicksal.

Aber dieser Abend reicht weit in der Geschichte zurück und in die Gegenwart hinein, singt von Goethes "Heideröslein" (sehr kritisch kommentiert mit: "Goethe! Goethe, spielt an seiner Flöte") und Heinz Rudolf Kunzes "Romanze". Er zelebriert Victor von Scheffels "Besuch des Teufels" genauso wie Nina Hagens "Naturträne" oder Anna Depenbuschs "Tim liebt Tina". Auch Heinrich Heine oder Wilhelm Müller dürfen nicht fehlen: Ihre Vertonungen von Robert Schumann ("Belsazar") oder Franz Schubert ("Gute Nacht" und "Der Leiermann" aus der "Winterreise") gehören zu den Höhepunkten dieser von Johannes Zimmermann (Musikalische Leitung und Arrangements) und Intendant Holger Schultze (Regie) konzipierten und in Katharina Andes’ Kostümen und Bühne realisierten Revue, in der vom fünfstimmigen Silcher-Chor, bis zur eindrucksvollen Moritat alles Platz hat.

Untertitelt ist der Abend mit "Lieder und Texte aus dem romantischen Exil". Das deutet an, dass die Romantik nicht nur ein Gefühlszustand ist, sondern als Epoche eine zutiefst politische Zeit. Die Texte haben oft einen konkreten politischen Hintergrund, nicht nur in den 1840er Jahren. Das "Bürgerlied" ist Teil der 48er-Revolution, und die Volksweise "Die Gedanken sind frei" oder einige Heine-Texte sind geradezu Kampflieder gegen die Unterdrückung oder thematisieren die Auswanderungswelle in die nur vermeintlich bessere "Neue Welt". Und mancher Text ist aktueller, als man glauben mag, etwa Heines "Wahl-Esel", in dem man heutige Politiker durchaus erkennen mag.

Johannes Zimmermanns musikalischen Arrangements (auch von Klassikern des Kunstlieds) für Sing- oder Sprechstimme mit Begleitung von Klavier oder Akkordeon oder Gitarre und Perkussion sind grandios. Sie funktionieren aber auch nur deshalb so wunderbar, weil die beteiligten Schauspielerinnen und Schauspieler, Sängerinnen und Sänger – darunter auch neue Ensemblemitglieder am Theater -– so fabelhaft agieren. Egal, ob sie im Gesangsfach ausgebildet sind oder nicht: Annika Mendrala (die man in Heidelberg noch als Annika Sophia Ritlewski kennt) und Esra Schreier sowie Daniel Friedl, Hendrik Richter und Wilfried Staber sind das Pfund, mit dem man hier zurecht wuchert. So ist das ein Abend, der in 90 Minuten alles vergessen lässt, was derzeit die Gemüter beschäftigt. Was kann Theater Besseres bieten?

Info: Theater der Stadt Heidelberg, nächste Aufführungen am 4., 20. und 22. Oktober.

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