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Normannia Heidelberg: Zehn Polizisten ermitteln gegen acht Personen (Update)

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		Normannia Heidelberg:  Zehn Polizisten ermitteln gegen acht Personen (Update)

Heidelberg. (shy) Der Innenausschuss des Landtags Baden-Württemberg hat sich in seiner Sitzung am Mittwoch unter anderem mit den Ermittlungen zum antisemitischen Übergriff in den Räumen der Burschenschaft Normannia befasst. Wie der Ausschussvorsitzende Karl Klein (CDU) – laut einer Presseerklärung – mitteilte, wird derzeit durch das Polizeipräsidium Mannheim und die Staatsanwaltschaft Heidelberg ein Ermittlungsverfahren gegen acht Personen geführt. Diese stünden im Verdacht, einen 25-jährigen Mann körperlich misshandelt und antisemitisch beleidigt zu haben. Der Fall sei aufgrund seines Hintergrundes und seiner Bedeutung für die Polizei Baden-Württemberg alles andere als gewöhnlich. Das Polizeipräsidium Mannheim setze daher über zehn Ermittler ein, sagte Klein.

Der Mannheimer SPD-Landtagsabgeordnete Boris Weirauch fordert unterdessen umfassende Aufklärung. Wie bereits angekündigt, hat er eine Anfrage an den Landtag Baden-Württemberg gestellt. Konkret will Weirauch unter anderem wissen, wann und wie die Landesregierung Kenntnis von dem Vorfall erhalten hat und wegen welcher Straftatbestände gegen welche Personen ermittelt werde. Außerdem fordert Weirauch Informationen von Landesregierung, Polizei- und Justizbehörden sowie dem Verfassungsschutz über mögliche Erkenntnisse, ob zwischen den Personen – gegen die ermittelt wird – und der "Identitären Bewegung", der "Jungen Alternative", der AfD oder anderen rechtsextremen Gruppierungen Verbindungen bestehen. Ferner will er wissen, ob bereits vor dem Vorfall Verbindungen zwischen der Normannia und der rechtsextremen Szene bestanden, und ob die Räume der Burschenschaft als Treffpunkt der rechtsextremen Szene bekannt sind. 

Update: Freitag, 25. September 2020, 19.36 Uhr


Heidelberg. (shy) Drei Heidelberger Burschenschaften haben in einer gemeinsamen Presseerklärung ihre Solidarität mit dem Verbindungsstudenten erklärt, der Ende August im Haus der Burschenschaft Normannia antisemitisch beleidigt, mit Gürteln geschlagen und mit Münzen beworfen worden sein soll.

"Mit Abscheu und Betroffenheit haben wir, die Heidelberger Burschenschaften Allemannia, Frankonia und Vineta, den antisemitischen Vorfall zur Kenntnis genommen", heißt es in der Mitteilung. Antisemitische Beleidigungen und Demütigungen mit tätlichen Angriffen hätten sie in einer akademischen Verbindung nicht für möglich gehalten. Mit der sofortigen Auflösung der Aktivitas habe die betroffene Altherrenschaft das Mindestmaß der zwingend gebotenen Konsequenzen gezogen.

"Rassistische und insbesondere antisemitische Äußerungen, Angriffe sowie jede Art von Diskriminierung innerhalb unserer Verbindungen oder gegenüber Gästen und Dritten sind für uns absolut undenkbar", heißt es weiter. Ein derartiges Verhalten sei in keiner Weise zu akzeptieren, zu entschuldigen oder zu verharmlosen, sondern müsse, auch abgesehen von den strafrechtlichen, harte Konsequenzen haben. Und weiter: "Wir setzen uns aktiv für die verfassungsmäßige Ordnung unseres Grundgesetzes ein, die gerade aus dem Gedanken geboren wurde, nie wieder solche Diskriminierungen zu dulden." Die drei Burschenschaften sind die ersten, die sich in Heidelberg zu dem Vorfall öffentlich zu Wort melden – insgesamt gibt es in Heidelberg rund 30 Burschenschaften und Studentenverbindungen.

Der Vize-Rektor der Hochschule für Jüdische Studien in Heidelberg, Frederek Musall, hatte wenige Tage nach Bekanntwerden des Vorfalls gefordert, dass sich die Burschenschaften – gerade vor dem Hintergrund ihres historischen Selbstverständnisses als Vorkämpfer der Demokratie – klar zu dem antisemitischen Vorfall positionieren und sich distanzieren müssten.

Update: Montag, 21. September 2020, 20.17 Uhr


Von Sarah Hinney

Heidelberg. Der Übergriff im Haus der Burschenschaft Normannia Ende August, bei dem ein Student mit Gürteln geschlagen, antisemitisch beschimpft und mit Münzen beworfen worden sein soll, ist nicht der einzige strafrechtlich relevante Vorfall, in den Mitglieder der Normannia verwickelt waren.

Recherchen der RNZ haben ergeben, dass mindestens ein Mitglied der Normannia bereits am 19. Januar 2019 bei einem Angriff auf das Linke Zentrum "Ewwe longt’s!" in der Mannheimer Neckarstadt beteiligt war. Bei der Eröffnungsfeier des Zentrums hatte eine Gruppe von "Störern" versucht, sich Zutritt zu den Räumlichkeiten zu verschaffen und Pfefferspray versprüht. Später wurde durch eine Landtagsanfrage des Mannheimer Abgeordneten Boris Weirauch bekannt, dass es sich bei den "Störern" um Mitglieder der "Jungen Alternative" (JA) Baden-Württemberg sowie um Beteiligte mit Bezügen zur rechtsextremen Identitären Bewegung (IB) handelte.

Die Staatsanwaltschaft Heidelberg hat jetzt auf RNZ-Nachfrage bestätigt, dass mindestens ein Mitglied der Normannia unter den "Störern" war. Ebenfalls bestätigt ist, dass es in der Folge zu einem Ermittlungsverfahren gegen dieses Mitglied gekommen ist. Tatvorwurf war das Führen von Waffen bei öffentlichen Versammlungen oder Aufzügen, strafbar nach dem Versammlungsgesetz. Wie das Verfahren ausging, konnte die Staatsanwaltschaft angesichts der Vielzahl an Ermittlungsverfahren gegen die "Störer" nicht sagen.

Zudem soll nach RNZ-Informationen ein Student der Heidelberger Verbindung Rupertia am 1. Mai 2019 von mehreren Normannia-Mitgliedern in der Heidelberger Altstadt zunächst antisemitisch beschimpft und später so geschlagen worden sein, dass das Opfer dabei einen Zahn verlor. Dass es an jenem 1. Mai einen Vorfall gab, hat die Staatsanwaltschaft Heidelberg auf RNZ-Anfrage nun ebenfalls bestätigt.

Ein Mitglied der Burschenschaft Normannia wurde in diesem Zusammenhang vom Amtsgericht Heidelberg am 22. Juni 2020 wegen gefährlicher Körperverletzung schuldig gesprochen. Details zu dem Verfahren nannte die Staatsanwaltschaft nicht. Das Urteil sei aber noch nicht rechtskräftig. Im Zusammenhang mit den Vorfällen am 1. Mai gibt es noch ein weiteres laufendes Ermittlungsverfahren gegen eine andere Person, die zum Zeitpunkt der mutmaßlichen Tat ebenfalls Mitglied der Normannia war. Der Tatvorwurf lautet hier auf gefährliche Körperverletzung sowie Volksverhetzung.

Wie schon nach dem antisemitischen Übergriff im Haus der Normannia vor drei Wochen gab die Polizei auch nach dem Vorfall am 1. Mai 2019 keine Pressemitteilung heraus. Dabei hatte der Verletzte – laut Staatsanwaltschaft – noch am Abend der Tat Anzeige bei der Polizei erstattet.

Doch damit endet die Liste der Ermittlungsverfahren gegen Normannia-Mitglieder noch immer nicht: So hatte die Staatsanwaltschaft Heidelberg vergangenes Jahr auch noch wegen des Verdachts des Zeigens eines "Hitlergrußes" gegen einen der Burschenschaftler ermittelt. Dieses Verfahren wurde mit Verfügung vom 3. Januar 2020 in Ermangelung eines hinreichenden Tatverdachts aber eingestellt, so die Staatsanwaltschaft Heidelberg.

An dem antisemitischen Übergriff vom 29. August sollen acht Personen beteiligt gewesen sein. Nach RNZ-Informationen sind mindestens zwei davon Normannia-Mitglieder. Drei weitere stammen aus dem Saarland. Es soll sich um Mitglieder der Saarbrücker Burschenschaft Ghibellinia zu Prag handeln. Bekanntes Mitglied unter den "Alten Herren" dieser Burschenschaft ist der AfD-Bundetagsabgeordnete Christian Wirth – er ist auch Mitglied der Normannia.

Update: Donnerstag, 17. September 2020, 20 Uhr


Innenministerium hält Zweifel an neutraler Aufklärung für nicht angebracht

"Wir nehmen den Vorfall sehr ernst" - Viele offene Fragen werden erst jetzt beantwortet

Von Sarah Hinney

Heidelberg. Warum wurde die Öffentlichkeit nach dem antisemitischen Übergriff auf einen Studenten im Haus der Burschenschaft Normannia am 29. August erst so spät informiert? Wieso hat die Staatsanwaltschaft Heidelberg in ihrer Pressemitteilung das Schlagen mit dem Gürtel als "gängiges Ritual" dargestellt, obwohl dieses Ritual unbekannt ist? Weshalb wird das Innenministerium erst jetzt aktiv, obwohl seit Jahren bekannt ist, dass die Burschenschaft Normannia Bezüge in die rechtsextreme Szene hat? Wie kann gesichert werden, dass der Vorfall lückenlos aufgeklärt wird, wenn Vertreter von Polizei und Justiz zu den Alten Herren der Normannia gehören? Und hatte Innenminister Thomas Strobl – der selbst seit Studienzeiten Mitglied der "Landsmannschaft Afrania" ist, zu der auch das mutmaßliche Opfer des aktuellen Vorfalls gehört – durch seine Verbindungen frühzeitig Kenntnis von dem Vorfall?

Es sind viele Fragen offen – einige davon haben Strobl und das Innenministerium jetzt beantwortet. "Ich habe zur Landsmannschaft Afrania überhaupt keinen regelmäßigen Kontakt mehr", sagte Strobl gegenüber der RNZ. Er selbst habe von dem antisemitischen Vorfall Kenntnis bekommen, als er von der Polizei bearbeitet wurde. Zur Normannia habe er auch zu seiner eigenen Studentenzeit als Afrania-Mitglied in Heidelberg kaum Kontakt gehabt, sagte der Minister weiter. "Besuche aus dem anderen Haus waren sehr selten – was auch damit zusammenhängt, dass die Normannia eine Burschenschaft ist, wir eine Landsmannschaft. Das sind unterschiedliche Dachverbände. Deswegen hatten wir – obwohl wir Nachbarn waren – mit anderen Verbindungen viel mehr Kontakt."

Warum das Innenministerium sich erst im Zuge des antisemitischen Übergriffs mit der Normannia beschäftigt, dazu sagt ein Ministeriumssprecher: "Die Burschenschaft ist kein Beobachtungsobjekt des Landesamtes für Verfassungsschutz." Unabhängig davon würde die Polizei bei konkreten Gefahren oder dem Verdacht von strafbaren Handlungen tätig. "Bei antisemitischen Vorfällen sind wir dabei in hohem Maße sensibel und gehen jedem Hinweis auf strafbares Verhalten konsequent nach."

Zweifel an der neutralen Aufklärung des Falles seien nicht angebracht, heißt es weiter aus dem Ministerium. Es gehe darum, den Sachverhalt lückenlos aufzuklären, und es werde – ohne Ansehen der Person – jedem noch so geringen Verdachtsmoment umfassend nachgegangen. Dabei habe das Ministerium den Fortgang der Ermittlungen eng im Blick und stehe auch im Austausch mit der jüdischen Gemeinde in Heidelberg und dem Antisemitismus-Beauftragten des Landes, Michael Blume.

Blume hatte vergangene Woche die Pressemitteilung von Staatsanwaltschaft und Polizei kritisiert, weil dort das Schlagen mit dem Gürtel als "gängiges Ritual" dargestellt wurde. Auf die Frage, wie es dazu kam, gibt das Ministerium lediglich eine ausweichende Antwort: "Die konkrete Tathandlung ist Gegenstand der aktuellen Ermittlungen. Wir nehmen den Vorfall im Innenministerium sehr ernst und haben Vertrauen in die polizeiliche Arbeit und die lückenlose Aufklärung."

Völlig offen bleibt indes die Frage, warum die Öffentlichkeit nicht spätestens nach der Hausdurchsuchung bei der Normannia am 2. September informiert wurde. Die Information der Öffentlichkeit sei am Verlauf der Ermittlungen auszurichten und obliege der Staatsanwaltschaft, heißt es dazu aus dem Ministerium.

Update: Montag, 14. September 2020


Normannia hat seit Jahren Verbindungen zu Rechtsextremen

Nun macht auch die Landtags-SPD Druck. Auch OB Würzner und die Universität meldeten sich zu Wort. Zudem stellt sich die Frage, wer den Wikipedia-Beitrag zur "Gürtelung" schrieb, der erst nach dem Vorfall entstand?

Von Sarah Hinney

Heidelberg. Aufklärung mit Nachdruck hat Innenminister Thomas Strobl am Donnerstag gegenüber der RNZ im Zusammenhang mit dem antisemitischen Übergriff auf einen Studenten im Haus der Normannia versprochen – auch die Landtags-SPD macht jetzt Dampf. Der Mannheimer SPD-Abgeordnete Boris Weirauch möchte in einer Landtags-Anfrage wissen, ob Verbindungen von Burschenschaften in die rechtsextreme Szene, Bezüge zur AfD und zur "Identitären Bewegung" bestehen.

Bezüge der Normannia zur AfD zu finden, ist ein Leichtes: Zu den "Alten Herren" der Burschenschaft gehört der AfD-Bundestagsabgeordnete Christian Wirth. Martin Kohler, stellvertretender Vorsitzende des Berliner Landesverbands der AfD-Jugendorganisation "Junge Alternative" (JA), posierte bereits 2018 auf der Terrasse des Normannia-Hauses – und postete das Bild auf Instagram. Der AfD-Politiker Malte Kaufmann war ebenfalls 2018 als Redner bei der Burschenschaft zu Gast.

Auch die Nähe der Burschenschaft zur rechtsextremen Szene ist seit Jahren bekannt. Schon 2004 hatte die RNZ über ein geplantes Treffen bei der Normannia berichtet, das nach Protesten wieder abgesagt worden war. Zu der Veranstaltung waren unter anderem Michael Nier und Karl Richter als Redner angekündigt. Richter wurde 1995 wegen Volksverhetzung verurteilt. Nier war Europakandidat für die NPD. Aus Österreich sollte außerdem Gerhoch Reisegger anreisen – ein rechtsextremer Publizist und Verschwörungstheoretiker.

Unklar ist indes weiterhin, was hinter dem Versuch steckt, den antisemitischen Übergriff im Haus der Normannia im Nachhinein zu verharmlosen. Die Staatsanwaltschaft Heidelberg hatte am Montag gegenüber der RNZ geäußert, dass es sich bei dem Schlagen mit Gürteln, der sogenannten "Gürtelung", angeblich um ein gängiges Ritual handele. In einer Presseerklärung hatten Polizei und Staatsanwaltschaft die Aussage am Dienstag wiederholt.

In der Nacht zum Mittwoch hatte dann ein Unbekannter einen ausführlichen Wikipedia-Artikel zum Thema angelegt. Darin wurde behauptet, dass es sich bei der "Gürtelung um ein humoristisches Ehrenritual mit dem Zwecke symbolischer Bestrafung oder eines Kräftemessens innerhalb jugendlicher (meist akademischer) Kreise" handle.

Pikant dabei: Nur wenige Stunden später verbreitete Norbert Weidner auf Twitter den Beitrag. Weidner war von 2008 bis 2012 Schriftleiter der "Burschenschaftlichen Blätter" und als solcher Mitglied des Verbandsrates der Deutschen Burschenschaft. Er gilt überdies als rechtsextrem und gehörte früher mehreren neonazistischen Organisationen an. Der Wikipedia-Beitrag hatte jedoch nicht lange Bestand – seit Donnerstagabend ist er gelöscht.

In der Causa Normannia sind also viele Fragen offen. "Die Geschehnisse müssen vollständig aufgeklärt werden", forderte Oberbürgermeister Eckart Würzner am Freitag. "Ich bin entsetzt über diesen widerlichen Vorfall. Es ist wichtig, dass das Opfer Anzeige erstattet hat und die Täter nun ermittelt werden." In Heidelberg gebe es keinen Platz für Antisemitismus, rechtsradikales Gedankengut und Gewalt – weder in Burschenschaften noch an anderer Stelle. "Wir sind eine weltoffene und tolerante Stadt, in der das friedliche Miteinander von Menschen unterschiedlicher Herkunft und Religionen tagtäglich gelebt wird. Jüdisches Leben ist ein unverzichtbarer Teil unserer Gesellschaft", so der OB.

Auch die Universität Heidelberg hat sich inzwischen zu Wort gemeldet und verurteilt antisemitische Übergriffe und Diskriminierungen auf das Schärfste: "Die Universität Heidelberg ist eine Einrichtung, in der Menschen unterschiedlichster Herkunft, Geschlechter, sexueller sowie religiöser und weltanschaulicher Orientierungen, sozialer Schichten und aus vielen verschiedenen Ländern zusammenkommen, um partnerschaftlich, gleichberechtigt und respektvoll miteinander zu arbeiten." Zu Burschenschaften unterhalte die Universität keinerlei institutionelle Verbindungen. Vielmehr betrachte man sie als "Netzwerke von Privatpersonen". Die Uni vertraue darauf, "dass die staatlichen Instanzen antisemitische Übergriffe jeglicher Art rückhaltlos aufklären und ahnden".

Update: Samstag, 12. September 2020


"Wer schweigt, macht sich mitschuldig"

Nach dem Vorfall bei der Burschenschaft Normannia demonstrierten in Heidelberg 100 Menschen gegen Antisemitismus.

Von Philipp Neumayr

Heidelberg. Rund 100 Menschen versammelten sich am Freitagabend auf dem Universitätsplatz, um nach dem Vorfall im Haus der Heidelberger Burschenschaft Normannia ein Zeichen zu setzen gegen Antisemitismus. Das Junge Forum der Deutsch-Israelischen Gesellschaft (DIG) in Heidelberg hatte am Mittwoch im Internet zu der Kundgebung mit dem Titel "Entschlossen gegen Antisemitismus" aufgerufen, und Angehörige verschiedener Parteien und Initiativen von den Liberalen bis zur Antifa waren diesem Aufruf gefolgt.

Er sei "schockiert und wütend", darüber, was sich auf dem Burschenschafts-Haus zugetragen habe, erklärte Patrick Baumgärtner vom Jungen Forum der DIG. In der Nacht auf den 29. August soll ein 25-Jähriger dort mit Münzen beworfen und mit Gürteln geschlagen worden sein, nachdem er angegeben hatte, dass er jüdische Vorfahren habe. Ans Licht gebracht wurde das Ganze von der Antifaschistischen Initiative Heidelberg, die darüber auf ihrer Homepage und in einer Pressemitteilung informierte. Auf der Homepage der Normannia wurde inzwischen die Auflösung der studierenden Mitglieder der Burschenschaft, der sogenannten "Aktivitas", bekannt gegeben. Sowohl die Staatsanwaltschaft als auch der Staatsschutz beschäftigen sich mit dem Fall.

Es sei nicht der erste antisemitische Übergriff in diesem Jahr, weder in Heidelberg noch in Deutschland, sagte Baumgärtner. Er und ein weiterer Vertreter des Jungen Forums forderten unter anderem, das Thema Antisemitismus in der Gesellschaft grundsätzlicher anzugehen, auch unterschwelligere Formen dessen auszumachen und darauf hinzuweisen.

CDU-Landtagskandidatin Anja Boto sagte: "Antisemitismus ist nicht tragbar und das müssen wir in alle Gesellschaftsgruppen hinaustragen." Der Heidelberger FDP-Landtagskandidat Benjamin Brandstetter betonte, dass eine schnelle Aufklärung, wie sie Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl (CDU) versprach, nicht ausreiche. "Wir müssen den Antisemitismus als das bekämpfen, was er ist: ein Angriff gegen uns alle."

Hieronymus Eichengrün von den Jungen Liberalen hat es laut eigener Aussage selbst erlebt, wie es ist, zum Ziel von Antisemitismus zu werden, als er mit Kippa durch die Stadt lief. Mittlerweile mache er das nicht mehr, da er das Gefühl habe, sich nicht mehr frei bewegen zu können. Eichengrün forderte, dass der Staat mit aller Härte gegen antisemitische Übergriffe wie bei der Normannia vorgehen müsse, dass die Polizei stärker für Antisemitismus sensibilisiert wird – und dass niemand mehr die Augen verschließe, denn: "Wer schweigt, macht sich mitschuldig."

Update: Samstag, 12. September 2020


Landes-SPD will mehr über die Vorfälle bei der Burschenschaft wissen

Von Sören Sgries

Heidelberg/Stuttgart. Nachdem die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen zu einem antisemitischen Vorfall in einem Heidelberger Burschenschaftshaus aufgenommen hat, schaltet sich auch die Landtags-SPD ein. In einer Landtagsanfrage, die am Donnerstag gestellt wurde, wollen die Parlamentarier unter Bezug auf die RNZ-Berichterstattung unter anderem wissen, wann die Landesregierung von den Vorfällen Kenntnis bekommen hat. Auch wird sehr detailliert nach Bezügen zur AfD, zur "Identitären Bewegung" oder anderen rechtsextremen Parteien oder Gruppierungen gefragt.

Der Mannheimer SPD-Abgeordnete Boris Weirauch sagte dazu, die Landesregierung müsse genau hinschauen, ob es Verbindungen von Burschenschaftlern in die rechtsextreme Szene gebe: "Zustände wie in Österreich, wo rechtsextreme Burschenschaften offen agieren und leider wesentlichen gesellschaftlichen Einfluss ausüben, darf es in Deutschland nicht geben!"

Update: Freitag, 11. September 2020


Innenminister verspricht Nachdruck bei der Aufklärung

Die Hochschule für Jüdische Studien in Heidelberg fordert alle Burschenschaften zur Distanzierung auf. Die Jusos wollen weitere Verbindungen vom Verfassungsschutz prüfen lassen.

Von Sarah Hinney und Sören Sgries

Heidelberg. Auch das Innenministerium Baden-Württemberg beschäftigt sich mit dem antisemitischen Übergriff im Haus der Burschenschaft Normannia. Innenminister Thomas Strobl (CDU) sagte am Donnerstag im Gespräch mit der RNZ: "Ich kann Ihnen versichern, dass durch das Polizeipräsidium Mannheim unter Sachleitung der Staatsanwaltschaft Heidelberg mit Nachdruck daran gearbeitet wird, den strafrechtlich relevanten Sachverhalt aufzuklären."

Am 29. August soll ein Mitglied der Alten Leipziger Landsmannschaft Afrania bei der Normannia beleidigt, mit Münzen beworfen und mit Gürteln geschlagen worden sein, nachdem er angegeben hatte, dass er jüdische Vorfahren habe.

Laut Strobl – der 60-Jährige studierte selbst in Heidelberg Jura und ist Mitglied in der Verbindung Afrania – hat das Innenministerium sich von Anfang an regelmäßig und eng über die Ermittlungen des Polizeipräsidiums Mannheim informieren lassen. Dort seien Spezialisten des Staatsschutzes, aber auch etwa Kriminaltechniker eingebunden. Das laufende Verfahren wollte er nicht kommentieren. Er betonte aber: "Antisemitische Vorfälle nehmen wir nicht einfach hin, sie müssen vollständig aufgeklärt werden." Der Schutz jüdischen Lebens und die Bekämpfung von Antisemitismus hätten "bei mir persönlich und im Innenministerium höchste Priorität". Strobl sagte weiter: "Wir treten jeder Form von Antisemitismus in all seinen widerwärtigen Erscheinungsformen mit äußerster Konsequenz entgegen. Das ist mir auch persönlich ein Herzensanliegen."

Auch der Vize-Rektor der Hochschule für Jüdische Studien in Heidelberg, Frederek Musall, äußerte sich am Donnerstag auf RNZ-Nachfrage: "Gerade weil sich Burschenschaften in ihrem historischen Selbstverständnis als Vorkämpfer der Demokratie verstehen, sind sie jetzt aufgefordert, sich klar zu dem antisemitischen Vorfall zu positionieren und sich zu distanzieren." Es sei aber wichtig, "nicht alle in einen Topf zu werfen". Gerade in einer internationalen, weltoffenen Stadt wie Heidelberg dürfe kein Platz sein für Antisemitismus – und auch nicht für Rituale, die gegen die Würde von Menschen verstoßen. "Körperverletzung ist eine Straftat, das kann man nicht beschönigen", so Musall weiter. Auch wenn es sich nur um Verfehlungen einzelner handeln sollte, findet Musall: "Wenn die Burschenschaften in Heidelberg sagen, dass so etwas hier keinen Platz hat, dann ist das auch ein wichtiges Signal über Heidelberg hinaus."

Die Studierendenschaft der Universität Heidelberg verurteilt den antisemitischen Angriff auf das Schärfste. "Sowohl die Universität Heidelberg als auch die Heidelberger Studierendenschaft haben eine beschämende Vergangenheit, was Antisemitismus und Nationalsozialismus anbelangt", sagte der Vorsitzende der Studierendenschaft, Leon Köpfle. "Als Studierende der Universität Heidelberg sehen wir uns deshalb in einer besonderen Verantwortung, dass weder nationalsozialistisches Gedankengut noch Antisemitismus je wieder einen Platz an unserer Universität – oder überhaupt in unserer Gesellschaft – finden."

Auch der Heidelberger SPD-Landtagskandidat Daniel Al-Kayal und die Juso-Hochschulgruppe verurteilen in einer Erklärung den Übergriff. Der Fall lege die antisemitische Gesinnung der Burschenschaft für alle offen. Die Jusos würden seit Jahren mit Aktionen zum Semesterstart über Burschenschaften aufklären. Juso-Mitglied Annalena Wirth sagte: "Burschenschaften locken Erstsemester mit günstigen Unterkünften und Gemeinschaftsgefühl, dahinter stecken jedoch unterdrückende Strukturen und ein Weltbild, das 1933 stehen geblieben ist.” Immer wieder würden der Normannia Verbindungen in die rechtsextreme Szene nachgesagt. Al-Kayal fordert deshalb, dass der Altherrenverein der Normannia und weitere Burschenschaften vom Verfassungsschutz überprüft werden.

Update: Donnerstag, 10. September 2020, 20 Uhr


Demütigende Männlichkeitsrituale "haben im 21. Jahrhundert nichts zu suchen"

Antisemitismus-Beauftragter der Regierung kritisiert Presseerklärung der Polizei - Innenministerium wird aktiv

Von Sarah Hinney

Heidelberg. Der antisemitische Übergriff im Haus der Burschenschaft Normannia in Heidelberg zieht Kreise. Am Dienstag hat sich der Antisemitismus-Beauftragte der Landesregierung Baden-Württemberg, Michael Blume, zu den Vorfällen geäußert. Er habe Erkenntnisse, dass zu den Alten Herren der Normannia "Vertreter von Justiz und Polizei gehörten", so Blume. Namen nannte er am Mittwoch auf Nachfrage der RNZ nicht.

Gleichwohl betonte Blume, dass er persönlich mit dem Landeskriminaldirektor gesprochen habe und in alle Richtungen ermittelt werde. Verärgert zeigte sich Blume über die Veröffentlichung der Presseerklärung von Polizei und Staatsanwaltschaft, in der die sogenannte "Gürtelung" als gängiges Ritual bezeichnet wurde. Zum Hintergrund: Der Geschädigte soll in der Nacht vom 29. August im Haus der Normannia in der Straße "Kurzer Buckel" am Schloss von mehreren Personen mit Gürteln geschlagen, Münzen beworfen und antisemitisch beschimpft worden sein, nachdem er angegeben hatte, dass er jüdische Vorfahren hatte. "Ich wünsche mir, dass Männlichkeitsrituale, die Demütigungen und Gewalt beinhalten, endlich aufhören", sagte Blume, der betonte, dass er selbst bei der Bundeswehr war.

Blume sagte weiter: "Ich bin der Meinung, so etwas hat im 21. Jahrhundert nichts zu suchen. Weder bei einer Burschenschaft noch in einer Pressemitteilung der Polizei." Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang ein neuer Beitrag auf Wikipedia. Dort wird behauptet, dass es sich bei der "Gürtelung" um ein "humoristisches Ehrenritual" handle. Die Staatsanwaltschaft Heidelberg hatte erstmals am Montag gegenüber der RNZ geäußert, "dass das Gürteln von Gästen der Burschenschaft nach bisherigem Erkenntnisstand nicht unüblich ist und wohl von den Beteiligten in der Regel akzeptiert wird". Noch am Montag war zu diesem "Ritual" im Internet – auch bei Wikipedia – allerdings nichts zu finden. Auch Kennern der Burschenschaftszene war das "Gürteln" bis dato unbekannt.

Blume überrascht das nicht. Es komme immer wieder vor, dass versucht werde, Dinge im Nachhinein sprachlich zu glätten. Blume ist dennoch optimistisch, dass die Vorkommnisse bei der Normannia jetzt mit Nachdruck und lückenlos aufgeklärt werden. Er sagt aber auch: "Ich hätte mir gewünscht, dass die Öffentlichkeit früher informiert worden wäre." Immerhin habe es aber eine Hausdurchsuchung gegeben. Der Antisemitismus-Beauftrage zeigte sich außerdem sicher: "Da wird noch einiges zutage kommen."

Inzwischen berichten mehrere überregionale Medien über den Übergriff. Auch das Innenministerium Baden-Württemberg ist jetzt in der Sache aktiv geworden. Zu den Äußerungen Blumes, dass zur Normannia auch "Vertreter von Justiz und Polizei gehörten", äußerte sich das Ministerium gestern aber nicht. Ein Sprecher teilte gegenüber der RNZ jedoch auf Nachfrage mit, man habe die Polizei Mannheim um Informationen und um eine Stellungnahme gebeten. Beides liege aber noch nicht vor. "Der Fall und bestimmte Aussagen lassen uns nicht kalt. Wir möchten mehr über den Sachverhalt erfahren, das Thema interessiert uns natürlich brennend", sagte der Sprecher weiter. Er betonte aber gleichzeitig, dass Polizei und Staatsanwaltschaft akribisch ermitteln und die Sache "in guten Händen" sei.

Die Hochschule für Jüdische Studien Heidelberg hat die Burschenschaften derweil aufgefordert, sich klar zu dem antisemitischen Vorfall in einer Verbindung zu positionieren. "Kommt da jetzt eine Reaktion - wenn nicht, würde Schweigen auch etwas aussagen", meinte Vize-Rektor Frederek Musall. Er sei schockiert von den Ermittlungen zu einem wohl judenfeindlichen Übergriff in der Heidelberger Burschenschaft Normannia.

Die "Menschen herabsetzenden Rituale", bei denen ein Gast mit jüdischen Vorfahren bei einer Feier der Normannia mit Gürteln geschlagen, mit Münzen beworfen und antisemitisch beleidigt worden sein soll, gehörten nicht in das 21. Jahrhundert. Zugleich sei er aber von dem Übergriff nicht überrascht, sei er doch einer auf einer langen Liste antisemitischer Attacken aus jüngster Zeit.

Update: Donnerstag, 10. September 2020, 10 Uhr


Ist die Normannia ein Treffpunkt der rechtsextremen Szene?

Ein Ex-Mitglied der Burschenschaft meldete sich bei der RNZ. Zudem teilten die Behörden weitere Details zu dem antisemitischen Übergriff mit.

Von Sarah Hinney

Heidelberg. Nachdem der antisemitische Übergriff in den Räumen der Burschenschaft Normannia zu Heidelberg am Montag öffentlich wurde, gaben Polizei und Staatsanwaltschaft am Dienstag weitere Details bekannt: Aktuell läuft ein Ermittlungsverfahren gegen acht Personen, darunter eine Frau, die im Verdacht stehen, einen 25-jährigen Mann körperlich misshandelt und antisemitisch beleidigt zu haben.

Demnach soll der Geschädigte in der Nacht auf Samstag, 29. August, gegen 1 Uhr beleidigt, mit Münzen beworfen und mit Gürteln auf die Beine sowie gegen den Rücken geschlagen worden sein, nachdem er angegeben hatte, dass er jüdische Vorfahren habe. Am 2. September wurde laut Polizei bei einer Hausdurchsuchung umfassendes Beweismaterial sichergestellt. Insgesamt wurden bislang 27 Teilnehmer der Feierlichkeit ermittelt, von denen 8 Personen beschuldigt werden, an den Straftaten beteiligt gewesen zu sein. Die Ermittlungen werden länderübergreifend geführt, unter anderem im Saarland und in Nordrhein-Westfalen, heißt es weiter vonseiten der Staatsanwaltschaft.

Bereits am Montagabend hatte sich ein ehemaliges Mitglied der Burschenschaft Normannia bei der RNZ gemeldet und glaubwürdig berichtet, dass dem Altherrenverband bereits in der Vergangenheit Informationen darüber vorlagen, dass das Verbindungshaus Treffpunkt der örtlichen rechtsextremen Szene sei. Auch soll dem Altherrenverband seit über einem Jahr bekannt gewesen sein, dass es schon früher im Verbindungshaus zu antisemitischen Äußerungen und dem Zeigen des "Hitlergrußes" gekommen sei. Ferner, dass die rechtsextreme "Identitäre Bewegung" regelmäßig Stammtische im Verbindungshaus abhalte und dort politische Aktionen plane.

All diese Dinge hätten bereits vor über einem Jahr zu massiven Zerwürfnissen innerhalb der Aktivitas – gemeint sind die studierenden Mitglieder der Burschenschaft – geführt. Auch an dem jetzt öffentlich gewordenen antisemitischen Übergriff, der sich gegen ein Mitglied der Alten Landsmannschaft Afrania richtete, soll mindestens ein Mitglied der "Identitären Bewegung" beteiligt gewesen sein. Das zumindest behauptet das Ex-Normannia-Mitglied gegenüber der RNZ. Die Staatsanwaltschaft äußerte sich auf weitere Nachfrage dazu nicht.

Erstmals meldete sich am Dienstag auch der Vorsitzende des Altherrenverbands der Burschenschaft Normannia, Gunnar Heydrich, zu Wort. In einer Pressemitteilung an die RNZ schreibt er: "Die Burschenschaft Normannia duldet keinen Antisemitismus in ihren Reihen oder durch Dritte auf ihrem Haus. Nach Kenntnis entsprechender Vorwürfe hat die Burschenschaft Normannia umgehend reagiert und die Auflösung ihrer Aktivitas beschlossen. Mit diesem Schritt soll eine schnelle und vollständige Aufklärung der Vorwürfe erleichtert werden. Die Burschenschaft Normannia kooperiert dabei vollumfänglich mit den Behörden, deren Ermittlungen sich nicht gegen die Burschenschaft Normannia, sondern gegen einzelne Personen richten. Sollten sich die Vorwürfe gegen einzelne ihrer Mitglieder erhärten, wird die Burschenschaft Normannia auch intern entsprechende Konsequenzen ziehen. Antisemitismus und gewalttätige Übergriffe sind mit dem burschenschaftlichen Gedanken nicht zu vereinbaren."

Auf die RNZ-Nachfrage, welche Konsequenzen das konkret seien und was genau die Auflösung der Aktivitas bedeute, antwortete der Vorsitzende nicht. Auch zu den Vorwürfen, es sei schon in der Vergangenheit zu antisemitischen Äußerungen im Haus der Normannia gekommen, nahm Heydrich am Dienstag auf RNZ-Nachfrage nicht mehr Stellung.

DerAntisemitismus-Beauftragte der Landesregierung Baden-Württemberg, Michael Blume, appellierte am Dienstag an die Justiz, das Geschehene transparent und öffentlich aufzuklären. Er habe Erkenntnisse, dass zu den Alten Herren der Normannia "Vertreter von Justiz und Polizei gehörten", so Blume. Das mache ihm Sorge. "Da muss jeder Anschein vermieden werden." Er sehe zudem fortgesetzte antisemitische und autoritäre Tendenzen in Burschenschaften. Es sei bekannt, dass gerade die Burschenschaft Normannia eine solche Tradition pflege.

Update: Dienstag, 8. September 2020, 20 Uhr


Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Burschenschaft Normannia

Ein 25-jähriger Gast soll bei einer Feier auf dem Verbindungshaus mit Gürteln geschlagen und antisemitisch beschimpft worden sein. Nach den Übergriff wurden die Aktivitas aufgelöst.

Von Sarah Hinney

Heidelberg. Es ist ein ungeheuerlicher Vorwurf, der sich gegen die Burschenschaft Normannia Heidelberg richtet und die hiesige Staatsanwaltschaft sowie den Staatsschutz beschäftigt. In der Nacht zum Samstag, 29. August, soll ein 25-jähriger Gast im Verbindungshaus der Normannia in der Straße "Kurzer Buckel" am Schloss gegen 1 Uhr von mehreren Burschenschaftlern mit Gürteln geschlagen und leicht verletzt worden sein. Gleichzeitig wurde er mit antisemitischen Ausdrücken beleidigt und mit Geldmünzen beworfen. Der Geschädigte habe zuvor angegeben, dass er jüdische Vorfahren habe. Das hat die Staatsanwaltschaft Heidelberg auf RNZ-Nachfrage bestätigt. Die Ermittlungen zu den Hintergründen der Tat sowie zu den Tätern dauern an.

Öffentlich gemacht hatte den Vorfall die Antifaschistische Initiative Heidelberg sowohl auf ihrer Homepage, als auch in einer Pressemitteilung. Dort heißt es: "Die Burschenschaft Normannia zu Heidelberg hat am 3. September mit sofortiger Wirkung ihre Aktivitas aufgelöst. Vorausgegangen war der antisemitisch motivierte Angriff mehrerer Burschenschafter auf ein Mitglied der ,Alten Leipziger Landsmannschaft Afrania’ im Haus der Normannia am Abend vom 28. auf 29. August." An dem Angriff seien neben Aktiven Studenten der Normannia auch Mitglieder der Burschenschaften Ghibellinia zu Prag in Saarbrücken und Germania Köln beteiligt gewesen, schreibt die Initiative weiter.

Die Beteiligung der zwei weiteren Burschenschaften bestätigte die Staatsanwaltschaft Heidelberg am Montag nicht – dies werde noch ermittelt. Sicher ist indes, dass das Anwesen von der Polizei durchsucht wurde, "um mögliche Beweismittel" zu sichern – etwa Gästebücher. Die Antifaschistische Initiative kritisiert: "Bei den offiziellen Pressemitteilungen des Polizeipräsidiums Mannheim sucht man vergebens nach einer Veröffentlichung zu dieser antisemitisch motivierten Körperverletzung." Und tatsächlich hat die Polizei – die täglich eine Vielzahl von Pressemitteilungen online veröffentlicht – über diesen Vorfall bislang nicht berichtet.

In der Pressestelle der Polizei verwies man am Montag auf Nachfrage direkt an die Staatsanwaltschaft. "Wir sind in der Sache sofort aktiv geworden, aber wir wollten mehr über die Hintergründe wissen. Und wir wissen auch noch nicht, wie viele Personen an dem Vorfall beteiligt waren", begründet ein Sprecher der Staatsanwaltschaft die Zurückhaltung bei der Information der Öffentlichkeit. Aktuell seien drei Personen namentlich bekannt, man gehe aber davon aus, dass insgesamt mindestens sechs Personen beteiligt waren. Erwähnenswert sei indes, dass das "Gürteln" von Gästen der Burschenschaft nach bisherigem Erkenntnisstand nicht unüblich sei und wohl von den Beteiligten in der Regel akzeptiert werde, so der Sprecher weiter.

Am Dienstag teilte die Polizei mit, dass der 25-Jährige direkt nach dem Vorfall am Samstag Strafanzeige erstattet hatte. Die Kriminalinspektion 6, Staatsschutz, der Kriminalpolizeidirektion Heidelberg habe unter Beteiligung der Kriminaltechnik und der forensischen IT danach die Ermittlungen aufgenommen. Bei einer Durchsuchung des Verbindungshauses am vergangenen Mittwoch sei dabei umfassendes Beweismaterial gefunden und sichergestellt worden. Insgesamt werden gegen 27 Teilnehmer der Feier ermittelt. Acht davon sollen an den Straftaten beteiligt gewesen sein. Ein Teil der Ermittlungen würden auch in Saarland und in Nordrhein-Westfalen geführt. Es zeichne sich ab, dass es sich bei dem Schlagen mit den Gürteln, der sogenannten "Gürtelung", um ein gängiges Ritual der tatverdächtigen Personen handeln soll.

Auf der Homepage der Normannia wurde die Auflösung der studierenden Mitglieder der Burschenschaft, der sogenannten "Aktivitas", bekannt gegeben. Der Altherrenverein der Burschenschaft, die 1890 in Heidelberg gegründet wurde, besteht offenbar weiter. Der RNZ wurde zudem anonym das Foto eines Briefes per E-Mail zugeschickt.

In diesem Schreiben wendet sich ein Gunnar Heydrich als Vorsitzender des Altherrenbundes der Normannia schriftlich an die "Alten Leipziger Landsmannschaft Afrania" mit folgenden Worten: "Wir bedauern den abscheulichen und inakzeptablen Vorgang vom 28. auf den 29. August auf unserem Haus, dessen Opfer ihr Bundesbruder wurde, auf das Schärfste. Als Konsequenz haben wir am 3. September mit sofortiger Wirkung unsere Aktivitas aufgelöst." Ob das Schreiben authentisch ist, ist unklar.

Sicher ist, dass die Normannia keine Berührungsängste mit einer politisch rechten Gesinnung hat. Zu ihren Mitglieder zählen unter anderem Bundestagsmitglied und AfD-Politiker Christian Wirth sowie der Autor der "Jungen Freiheit" Michael Kurt Paulwitz, der lange bei den Republikanern aktiv war. Weder die Burschenschaft Normannia noch die Alte Leipziger Landsmannschaft Afrania war für die RNZ am Montag telefonisch zu erreichen.

Stand: Montag, 7. September 2020, 17 Uhr

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