Fußball
News melden
Nachrichten

Heidelberger Patrick-Henry-Village: Das Ankunftszentrum funktioniert gut

0

		Heidelberger Patrick-Henry-Village:  Das Ankunftszentrum funktioniert gut

Von Denis Schnur

Heidelberg. Eine Gruppe junger Menschen kommt aus der ehemaligen Patrick-Henry-Schule. Sie sind bepackt mit Koffern, einige Kleider tragen sie in Müllsäcken. Sie lachen, Kinder wuseln herum. Sie sind aus Afrika geflohen, in Deutschland angekommen und haben gerade den Registrierungsprozess im Ankunftszentrum Patrick-Henry-Village (PHV) durchlaufen.

Jetzt geht es in ihre Wohnungen in der ehemaligen Wohnsiedlung der US-Armee. Etwa sechs Wochen werden sie hier bleiben.

Zumindest ist das die durchschnittliche Verweildauer der Flüchtlinge, die derzeit in Heidelberg ankommen. Das war nicht immer so: Als die US-Siedlung 2014 zur Erstaufnahmestelle wurde, blieben die Bewohner deutlich länger. Zeitweise lebten hier mehr als 5000 Menschen.

"Heute ist das etwas entspannter", erklärt Markus Rothfuß, der das Ankunftszentrum leitet. Derzeit leben 1190 Menschen in der Einrichtung, darunter etwa 250 Kinder. "Die Zahlen pendeln zwischen 1200 und 1400", so der ehemalige Polizist. Die Obergrenze liege bei 2000, von der sei man in den letzten Monaten jedoch weit entfernt gewesen.

In der Turnhalle der Schule warten am Freitagmittag etwa 40 Menschen darauf, registriert zu werden. Auf Bänken sitzen junge Männer. Sie machen noch immer zwei Drittel der Neuankömmlinge aus, das andere Drittel bilden - meist junge - Familien. Deshalb spielen hier viele Kinder. Zwei Männer bringt das nicht aus der Ruhe: Sie haben sich auf den Bänken ausgestreckt und überbrücken die Wartezeit mit Schlaf.

Bei ihnen dauert es länger, denn die Mitarbeiter des Regierungspräsidiums nehmen Familien zuerst dran. 50 bis 60 Menschen kommen täglich in PHV an, ab Montag werden es um die 70. Dann gibt es in der Aufnahmeeinrichtung in Ellwangen nämlich keine Möglichkeit mehr, einen Asylantrag zu stellen.

Noch am Tag ihrer Ankunft durchlaufen die Menschen in der Regel den Registrierungsprozess. Wer keinen Pass vorlegen kann, wird durchsucht. Auch die Daten vom Handy werden dann sichergestellt. Nach einer juristischen Prüfung werden sie genutzt, um das Herkunftsland zu ermitteln. Schließlich kommt laut Rothfuß ein erheblicher Anteil der Menschen ohne Pass hier an - vor allem aus Subsahara-Afrika. Von dort und vom Balkan stammen derzeit die meisten Flüchtlinge, Syrien spielt heute keine große Rolle mehr.

"Die Durchsuchungen sind natürlich eine repressive Maßnahme", betont der PHV-Leiter. Deshalb finden sie in einem Raum statt, der Vertrauen schaffen soll: An der Wand hängen Bilder, Piktogramme erklären den Menschen, was passiert. "Wir wollen nicht das Gefühl vermitteln, dass man der Willkür des Staates ausgesetzt ist."

Viele kommen aus Ländern, in denen sie Behörden nicht vertrauen konnten. In PHV sollen sie lernen, dass das hier anders ist. "Dazu gehört der Kontakt auf Augenhöhe", so Rothfuß. Dafür habe er gezielt Menschen mit Migrationshintergrund eingestellt. Sie könnten sich in die Lage der Ankömmlinge versetzen - und sprächen oft deren Sprache.

Das hilft bei der Registrierung, bei der im System überprüft wird, ob Baden-Württemberg für das Verfahren zuständig ist. Rund die Hälfte wird an andere Bundesländer verteilt. Der Rest wird aufwendig erfasst: Mitarbeiter nehmen Fingerabdrücke und Fotos und vergleichen sie mit den Daten im System, um etwa Doppelregistrierungen zu vermieden. Da das Computersystem sich dazu gerne Zeit lässt, hängen die Schalter voll mit bunten Bildern, die die Mitarbeiter in der Zwischenzeit mit den Flüchtlingskindern gemalt haben.

Bei der Gruppe aus Afrika geht der Prozess schnell. Sie können mittags ihre Wohnungen beziehen und sich bis zum nächsten Tag ausruhen. Dann geht es zur medizinischen Untersuchung. Alle Ankömmlinge werden vom Arzt in Augenschein genommen und - bis auf die Schwangeren - geröntgt. "Es geht darum, Infektionskrankheiten zu finden", erklärt eine Krankenschwester.

Wer - wie über 99 Prozent der Flüchtlinge - keine hat, bekommt ein Gesundheitszeugnis. Damit können sie am nächsten Tag bei der Außenstelle des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge Asyl beantragen. "In der Regel haben die Menschen bei uns innerhalb von fünf Tagen ihren Antrag gestellt und innerhalb von zehn Tagen ihre Anhörung gehabt", erklärt Rothfuß. Ein Riesenunterschied zu 2015, als das noch mehrere Monate dauerte.

Bis über den Antrag entschieden wird, dauert es in der Regel Wochen. Die ersten davon verbringen die Flüchtlinge in PHV. Sie leben in den ehemaligen Wohnungen der US-Streitkräfte, die spärlich eingerichtet sind. "Sauber und zweckerfüllend", nennt das Rothfuß: Ein Tisch, Stühle, Betten und ein Schrank.

Kein Wunder also, dass die meisten ihre Freizeit nicht in den Wohnungen verbringen - sondern etwa bei den Kursen, die die 100 bis 120 Ehrenamtlichen, die täglich kommen, organisieren. Bei schönem Wetter liegen die Bewohner aber auch einfach mit Decken auf den Wiesen. Es gab sogar mal eine Skatebahn. "Anfangs war ich da sehr begeistert und wir haben Inliner gesammelt", erinnert sich Rothfuß.

"Nach drei Knochenbrüchen hat dann aber die Ambulanz gesagt: Das können wir so nicht lassen." Stattdessen ist Fußball die beliebteste Freizeitbeschäftigung für junge Männer und Kinder. Trotzdem soll es kein "Public Viewing" zur Weltmeisterschaft geben. Die Verantwortlichen sorgen sich, dass die Emotionen hochkochen könnten.

Rothfuß ermuntert die Flüchtlinge aber ohnehin, für so etwas in die Stadt zu fahren: "Sie sind Einwohner Heidelbergs. Sie können und sollen die Einrichtungen in der Stadt nutzen."

Für die allermeisten endet die Zeit in PHV nach wenigen Wochen. Ihre letzte Station ist meistens der Ballsaal im Casino, quasi die Stadthalle der US-Siedlung. Heute stehen unbequeme Stühle unter den protzigen Kronleuchtern. Darauf sitzen Familien, die darauf warten, in eine andere Einrichtung gebracht oder auf Kommunen verteilt zu werden.

Aber Rothfuß geht davon aus, dass das gesamte Ankunftszentrum bald umziehen wird. Wann und wohin? Das kann er noch nicht sagen: "Mannheim ist eine Option, wir prüfen aber auch Alternativen." Offiziell läuft die Vereinbarung zwischen Heidelberg und dem Land zur Nutzung bis September.

Die Stadt will bis dahin einen Zeitplan für die Verlegung, doch niemand glaubt an einen Umzug in diesem Jahr. Aber auch wenn er das Zentrum in Heidelberg bald aufgeben wird, ist Rothfuß stolz auf das, was hier in drei Jahren aufgebaut wurde: "Wenn ich noch einmal ein Ankunftszentrum bauen dürfte - was ich ja vielleicht bald darf -, würde ich es nicht viel anders machen."

Загрузка...

Comments

Комментарии для сайта Cackle
Загрузка...

More news:

Read on Sportsweek.org:

Andere Sportarten

Sponsored