Craft Bike Days 2025 – 32″ MTB-Revolution: Vier Prototypen zeigen, wohin der Trend geht
Der nächste Trend in der Bike-Industrie ist spätestens seit der Eurobike klar: 32″-Laufräder sind das neue große Ding. Auch bei den Craft Bike Days gab es kaum ein anderes Thema und gleich vier richtig coole 32″-Bikes. Die Infos dazu gibt’s hier.
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Was Anfang dieses Jahres noch in Form loser Gerüchte über die Trails waberte, ist mittlerweile Gewissheit. Eine neue Laufradgröße steht in den Startlöchern: 32″-Laufräder sind im Mountainbike-Universum angekommen. Ob sie gekommen sind, um zu bleiben, bleibt abzuwarten. Die Indizien sprechen dafür.
So richtig Fahrt aufgenommen hat das Thema um die XXL-Wagon-Wheels mit der Vorstellung des 32″ Maxxis Aspen-Reifens bei der diesjährigen Eurobike. Seitdem geht es Schlag auf Schlag. Erst kürzlich konnten wir einen ersten 32″-Prototyp von Stoll für euch testen (Hier geht’s zum 32″ Stoll Test).
Kein Wunder also, dass die großen Laufräder auch bei den diesjährigen Craft Bike Days heiß diskutiert wurden. Dreh und Angelpunkt der oft interessanten, bisweilen hitzigen 32″-Diskussionen waren die gleich vier ausgestellten 32″-Showbikes.
Video: Vier 32″-Prototypen von Alutech, Actofive, Bike Ahead und Dead Rabbit
Alutech 32 Super Mullet Prototyp
Den Auftakt zur großen 32″ Show macht ein ganz besonderer Kandidat. Das angepasste Alutech Pelmo E-Bike von Jürgen Schlender setzt auf einen Mullet-Aufbau mit 32″-Vorderrad und wahlweise 29″– oder 27,5″-Hinterrad. Als Basis für den Prototyp dient der Rorhsatz eines Alutec Pelmo E-Enduro Bikes, das 170 mm Federweg an Front und Heck zur Verfügung stellt. Jürgen hat die Geometrie beim Schweißen entsprechend angepasst, um trotz 32″-Vorderrad eine sinnvolle Geometrie ohne extrem hohe Front oder ein zu hohes Tretlager zu erhalten. Weiterhin hat er den Vorbau extra abgedreht und einen Flatbar verbaut, um die Lenkerhöhe tiefer zu bekommen.
- Rahmenmaterial Aluminium
- Laufradgröße 32″ (vorn) / 29″ oder 27,5″ (hinten)
- Federweg 170 mm / 170 mm
- www.alutech-cycles.com
Spannend ist auch, dass am Vorderrad ein Maxxis Dissector-Reifen in 32″ montiert ist. Bislang ist uns lediglich der XC-Reifen Aspen in dem extragroßen Maß untergekommen. Der Dissector richtet sich allerdings ganz klar an ein Trail Bike-Publikum. Erste Annahmen, dass sich der 32″-Trend auf den XC-Bereich begrenzen könnte, dürfte dies entkräften. Die Laufräder stellt DT Swiss zur Verfügung.
Entsprechend des Federwegs und des anvisierten Einsatzbereichs des Bikes hat Jürgen sich für einen flachen Lenkwinkel von 63° entschieden. Damit dürfte der hier gezeigte Prototyp mit Abstand das abfahrtslastigste 32″-Bike der Welt sein. Andere 32″-Prototypen konzentrieren sich vorrangig auf geringe Federwege und den XC-Bereich.
Aktuell ist der 32″-Prototyp lediglich über den Parkplatz gerollt und hat noch keine Trails gesehen. Ein ausführlicher Test steht noch aus, weil der Rahmen noch nicht gehärtet wurde. Jürgen hat uns allerdings versprochen, das Super Mullet-Bike nach der anstehenden Härtung ausgiebig in Finale Ligure zu testen.
Auf die Frage, ob und wann das gezeigte Bike käuflich zu erwerben sein wird, gibt es eine ziemlich konkrete Antwort: Der große Knackpunkt ist die Lieferbarkeit passender Komponenten. Abgesehen davon sieht man bei Alutech das grobe Zeitfenster „Frühjahr/Sommer 2026“ als realistisch an.
Bike Ahead Composite The Frame Project 32″
Der nächste Kandidat steht im starken Kontrast zum 32″ Super Mullet-E-Enduro mit 170 mm Federweg. Federleicht, grazil und schnell sieht das XC-Hardtail von Bike Ahead Composites aus. Und das ist es auch: Nur 9,6 Kilo bringt das Bike auf die Waage. Die extrem großen Laufräder wirken allerdings trotzdem erst mal gewöhnungsbedürftig. Damit diese in den Rahmen passen, haben die Carbon-Experten aus Veitshöchheim ihren 29″ XC-Rahmen mit dem treffenden Namen „The Frame“ entsprechend angepasst.
- Rahmenmaterial Carbon
- Laufradgröße 32″ / 32″
- Federweg 100 mm
- www.bike-ahead-composites.de
Ein verlängerter Hinterbau mit neuen Ausfallenden macht Platz für das Riesenrad. Gleichzeitig sorgt ein speziell gefertigter Vorbau von Radoxx Components mit negativem Rise für eine gewohnte Lenkerhöhe, während eine Intend Samurai-Federgabel mit 100 mm Federweg das Vorderrad aufnimmt. Für den nötigen Grip sind die bereits erwähnten Maxxis Aspen-Reifen zuständig.
Interessant wird es allerdings bei den Laufrädern, hier sind nämlich die hauseigenen Bike Ahead Composites Biturbo Monocoque Carbon-Laufräder mit ihrem ikonischen 6-speichigen Aufbau verbaut – natürlich in 32″. Diese sind auch der wahre Star der Show: Denn wie uns berichtet wurde, verfolgt Bike Ahead mit dem Prototyp nicht etwa den Plan, in Bälde ein 32″-Bike auf den Markt zu bringen. Stattdessen dient das Testbike vorerst ausschließlich zur Erprobung der hauseigenen Laufräder.
Laut Bike Ahead können bei der neuen Laufradgröße die Stärken der Monocoque-Bauweise noch stärker ausgespielt werden. Gegenüber herkömmlichen Laufrädern soll man hier das Gewichts-Steifigkeits-Verhältnis deutlich besser meistern können.
Dead Rabbit XCO 32″
Das dritte 32″-Bike im Bunde ist ebenfalls im XC-Bereich verortet, kommt aber mit Vollfederung und Aluminium-Rahmen. Die quietschgelbe XC-Rakete stammt aus der Feder von Björn Aeschlimann. Björn ist der Eigentümer von Dead Rabit Bikes und verdient sein Geld mit dem Maßrahmen und Prototypenbau. Der hier gezeigte Prototyp ist seine Interpretation eines 32″ XC-Bikes und verfügt über 100 mm Federweg am Heck und 97 mm an der Front. Entstanden ist das Projekt am Wochenende der Enduro-Weltmeisterschaft. Hier war Björn als Betreuer eines Fahrers im Einsatz und hat in seiner freien Zeit das Skizzenbuch mit seinen 32″ Fantasien gefüllt.
- Rahmenmaterial Aluminium
- Laufradgröße 32″ / 32″
- Federweg 97 mm / 100 mm
- www.deadrabbitbike.com
Der Rahmen ist bewusst flach gehalten, um den großen 32″-Laufrädern ihre optische Wucht zu nehmen. Zudem hat sich Björn für eine neongelbe-lilane Retro-Lackierung entschieden und will damit die Brücke zwischen Oldschool-Look und neuester Technologie schlagen.
Die Geometrie und Position der Kontaktpunkte orientieren sich stark am 29″ XCO-Bike der Marke und wurden selbstverständlich an die größeren Laufräder angepasst. Hier wurde auch die Position der Schwinge optimiert, um mehr Reifenfreiheit zu bieten. Die Rahmengröße des Prototyps liegt zwischen M und L. Besonders interessant ist in diesem Zuge auch der Blick auf das Cockpit. Der eigens gefertigte Vorbau mit deutlich negativem Rise weist zudem eine ziemlich niedrige Stack-Höhe auf. Dadurch konnte ein konstruktionsbedingt besser passendes 100 mm-Steuerrohr anstatt eines 90 mm-Steuerrohrs verwendet werden, ohne die Lenkerhöhe zu komprimittieren. Um einer Beschädigung des Rahmens durch den stark nach unten orientierten Vorbau vorzubeugen, hat Björn eine eigene, extraflache obere Steuersatzschlage mit Knock-Block-Funktion eingebaut.
Ebenso spannend geht es bei der Federgabel weiter. Diese verfügt über 97 mm Federweg, stammt von Bright Racing aus Italien und ist die erste 32″-Federgabel der Marke. Die nötigen Molds für die Carbon-Standrohre wurden von Dead Rabbit gefertigt. Aufgrund der Upside-Down-Bauweise eignet sich diese Federgabel sehr gut zum Testen, da schnell und einfach unterschiedliche Ausfallenden gefräst werden können, um etwas mit verschiedenen Offset-Varianten zu experimentieren.
Der Prototyp ist komplett fahrfertig, wurde aber bislang noch nicht bewegt, damit das Bike bei den Craft Bike Days im Neuzustand bewundert werden kann. Direkt im Anschluss an die Show steht allerdings die Erprobung an. Laut Björn sind die drei Punkte Lenkerhöhe, Lenkwinkel und Federgabel-Offset für ihn die spannendsten Aspekte, die es zu erproben gilt.
Ziel ist allerdings nicht nur die Erprobung, sondern auch, das 32″-Bike ins Portfolio aufzunehmen und zu verkaufen. Preislich würde ein Rahmenset dann bei um die 2.600 € liegen. Interessanter Sidefact: Aktuell wird in der Schweizer Rahmenbau-Werkstatt auch an weiteren 32″-Prototypen für andere Marken gearbeitet.
Actofive I-Train 32″
Auch Simon Metzner von Actofive hat seine eigene 32″-Idee verwirklicht und bei den Craft Bike Days ausgestellt. Der Anstoß zum Projekt kam dabei tatsächlich vom Laufradbauer DT Swiss. Hier benötigte man passende Rahmen, um die eigenen 32″-Laufräder ausgiebig testen zu können. Die anfängliche Idee, den Rahmen des bestehenden 29″ I-Train an die größeren Laufräder anzupassen, wurde schnell verworfen. Als Knackpunkt stellte sich die im Vergleich zum 29er 80 mm höhere Front heraus. Dadurch ist es nicht möglich, mit einer bestehenden Plattform sinnvolle Geometrie-Werte zu erzielen. Kurzerhand hat Simon also erst das CAD-Programm und dann seine CNC-Fräse angeworfen und einen komplett neuen Hauptrahmen sowie die passende Sitzstrebe kreiert. Genau wie von Actofive bekannt werden hier zwei gefräste Rahmenhälften miteinander verklebt. Als Vorbild für Rahmenform und Kinematik dient, wie unschwer zu erkennen ist, das Actofive I-Train.
- Rahmenmaterial Aluminium
- Laufradgröße 32″ / 32″
- Federweg 120 mm bis 140 mm
- www.actofive.com
Dementsprechend dürfte es Kenner nicht verwundern, dass auch das 32″-Bike wahlweise mit 120 mm bis 140 mm Federweg aufgebaut werden kann. Auf den Craft Bike Days wurde die 120 mm-Variante ausgestellt. Die beim zur Verfügung stehenden Federweg anfangenen Variabilität zieht sich durch das gesamte Rahmenkonzept, was das Bike zu einer perfekten Experimentier-Plattform für die neue Laufradgröße macht. Hier können nämlich auch andere Parameter wie die Kettenstrebenlänge oder der Lenkwinkel problemlos und schnell angepasst werden. Auch ein Mullet-Aufbau ist möglich.
Bei der Geometrie hat Simon versucht, die Kontaktpunkte, also Sitzposition und Lenkerhöhe, möglichst identisch zum 29er zu realisieren. Dafür ist natürlich auch hier ein spezieller Vorbau mit sehr negativem Rise nötig, sonst hätte man schlussendlich ein XC-Bike mit der Cockpithöhe eines Downhill-Bikes. Selbstverständlich stammt der schick gefräste Vorbau aus eigener Fertigung. Der Reach des Rahmens liegt bei virtuellen 475 mm. Virtueller Reach ist ein Messwert, den Simon kurzerhand eingeführt hat, da die herkömmliche Messmethode aufgrund der drastisch vergrößerten Einbauhöhe nur bedingt vergleichbare Ergebnisse liefert. Dieser virtuelle Messwert ist also mit dem Reach herkömmlicher 29er-Bikes vergleichbar. Herkömmlich gemessen hätte der 32″-Rahmen allerdings nur einen Reach von um die 455 mm. Kombiniert wird dies mit dem einstellbaren 65° Lenkwinkel und – ihr habt es euch vermutlich schon gedacht – ziemlich langen Kettenstreben. Diese messen satte 465 mm und bieten dadurch den nötigen Platz für die extragroßen Laufräder.
An der Front kommt hier im Kontrast zu den anderen gezeigten 32″-Bikes eine herkömmliche Teleskop-Federgabel von DT Swiss zum Einsatz. Damit das große Laufrad durchpasst, haben die Schweizer allerdings eine optisch recht abenteuerlich wirkende Modifikation des Ausfallendes vorgenommen. Die Verlässlichkeit dieser Konstruktion wurde uns allerdings glaubhaft versichert. Allgemein ist das I-Train 32″ komplett und ohne Einschränkungen einsatzbereit und bereit, getestet zu werden. Egal, ob als XC-Variante mit 120 mm Federweg, oder als Trail-Bike mit 140 mm.
Bemerkenswert ist zudem, dass es sich bei dem hier gezeigten Modell im Gegensatz zu den anderen 32″ Prototypen nicht um ein Einzelstück handelt. Es existieren bereits weitere fünf Rahmen, die aktuell eloxiert werden. Natürlich ist fest geplant das I-Train 32″ auch zum Verkauf anzubieten.
Sechs 32″ Erkenntnisse von den Craft Bike Days
- 32″ ist nicht mehr Vision, sondern Realität Die Laufradgröße wird parallel an verschiedenen Orten und von mehreren Herstellern getestet. Das ist ein starkes Zeichen dafür, dass es sich nicht um einen reinen Marketing-Gag handelt.
- Neue Geometrie? Die Größe der Laufräder bringt Geometrie und Handling schnell aus dem Gleichgewicht. Hier müssen teilweise neue Wege gegangen werden. Gerade Cockpit-Höhe, Lenkwinkel und Federgabel-Offset sind wegweisende Parameter.
- Die Projekte stehen kurz vor dem Praxistest Viele Prototypen sind fahrfertig oder kurz davor. Die wichtigste Phase, nämlich echte Trail-Erfahrung, steht jetzt an. Erst danach lässt sich sagen, was die neuen Laufräder können und ob die Konzepte aufgehen.
- Der Trend verlässt die XC-Blase Die ersten Enduro- und Trail-Prototypen zeigen, dass 32″ nicht nur für XC-Racer relevant sein könnte. Auch abfahrtslastige Fahrer könnten von mehr Laufruhe und Grip durch die großen Laufräder profitieren.
- Limitierung über Körpergröße ist ein Problem Die große Bauhöhe setzt physikalische Grenzen. Kleinere Fahrerinnen und Fahrer werden mit den Riesen-Rädern vermutlich nicht glücklich werden.
- Neue Standards im Anflug? Der Trend steckt zwar noch in den Kinderschuhen. Dennoch: Wenn sich 32″-Laufräder auf dem Markt etablieren sollten, wird die Einführung neuer Standards ein sehr realistisches Szenario. Ansonsten wird es schwierig, mit dieser Laufradgröße leichte, stabile und steife Mountainbikes zu bauen.
Was sagt ihr zu den vier 32″-Bikes von den Craft Bike Days 2025?
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