Eine „Start-Ziel-Niederlage“
Die GIESSEN 46ers verlieren nach einer katastrophalen ersten Halbzeit bei Wildcard-Aufsteiger RheinStars Köln überraschend deutlich mit 76:92.
Für gewöhnlich werden an Nikolausabend Kinder beschenkt. Die GIESSEN 46ers aber haben mit dieser liebgewordenen Tradition gebrochen. Und zumindest im Düsseldorfer Südosten auch einige Erwachsene gütigst gebeten, ihre Stiefel vor die Tür zu stellen.
Und dies für eine einstündige Bescherung, die nicht nur „Frenki“ Ignjatovic jegliche besinnliche Stimmung raubte. Nicht unbedingt von der schlechtesten Saisonleistung, aber mindestens von der „schlechtesten ersten Halbzeit, die ich in dieser Saison gesehen habe“, sprach der Cheftrainer des Altmeisters. Es war eine Einschätzung, mit der er nicht übertrieben hatte. Denn auch seine Jungs sparten kaum an Selbstkritik.
Er sei „extrem angepisst“, ließ Luis König Figge, einer der wenigen im schwarzen Auswärts-Outfit mit Selbstvertrauen und Leidenschaft ausgestattet, seinem Frust freien Lauf. „Es war eine Start-Ziel-Niederlage. Von vorne bis hinten hat nichts gepasst.“ Kapitän Robin Benzing sprach von einer ersten Hälfte, die „nicht gut“ gewesen sei und von einer „sehr schlechten Trefferquote“. Till Gloger hatte mitansehen müssen, dass „wir uns schon früh den Schneid haben abkaufen lassen. Heute hatten wir nicht die Energie, die nötig ist, um Spiele zu gewinnen.“ Und Roland Nyama, obwohl selbst nur zwei Minuten auf dem Feld, spielte nach dem Match den „Abfangjäger“ bei enttäuschten Fans, hörte sich gar manche Schimpftirade an und blickte entschuldigend hoch auf die Tribüne hinter der Mannschaftsbank: „Ja glaubt ihr denn wirklich, wir würden hier absichtlich verlieren?“
Recht hatten alle Gießener Protagonisten, die am elften Spieltag der BARMER 2. Basketball-Bundesliga ProA eine 76:92 (32:50)-Abreibung bei Wildcard-Aufsteiger RheinStars Köln hatten hinnehmen müssen und damit nach der Länderspielpause ihre Serie von zuletzt vier Siegen aus fünf Partien nicht hatten fortsetzen können. Was bitter war und Branislav Ignjatovic, wie schon auf den langen Heimfahrten aus Paderborn (93:100) oder Tübingen (82:84), lange beschäftigte: „Das heute war eine schwere Niederlage. Damit hatte ich echt nicht gerechnet. Die erste Halbzeit war eine Katastrophe. Momentan kann es für uns nur darum gehen, irgendwie in die Playoffs zu kommen.“ Der Deutsch-Serbe wäre aber nicht er selbst, würde er nicht an sein Team glauben: „Wir gehören in die Playoffs. So schlecht, wie wir uns heute präsentiert haben, sind wir nicht.“
Wovon die rund 150 Gießener Anhänger, die in einem Fanbus und zahlreichen Privat-Pkw an den Rhein gekommen waren und aus dem ansonsten spärlich besuchten Castello eine Heimspielstätte gemacht hatten, allerdings wenig zu sehen bekamen. Nur einmal, bei den einzigen Punkten von Starter Domagoj Vukovic, lag der Altmeister in Führung (2:0, 1.), danach nahm die Talfahrt schnell ihren Lauf. Schon beim 12:25 (8.) hatte Gießen mehr verballert als getroffen, hatten die Gäste die 24-Sekunden-Uhr aus den Augen verloren, Devon Goodman zwei Freiwürfe liegengelassen und Robin Benzing zwei Dreier verpasst. „Frenki“ Ignjatovic nahm eine Auszeit, beim 24:40 (13.) eine weitere, die Hausherren aber, bei denen der ehemalige Gießener Maxi Begue nicht zum Einsatz kam, ließen sich nicht beirren.
Als zwei Fernschüsse von Robin Benzing nur in die Reuse schauten, sich aber dann doch entschieden, lieber in die Hände des langen Kölners Björn Rohwer zu hüpfen, und als Domagoj Vukovic und abermals Devon Goodman hintereinander gleich viermal an der Freiwurflinie patzten, lag Köln, das in Düsseldorf ebenso „auswärts“ antrat wie Gießen, schon mit 22 Zählern (52:30, 17.) vorn.
Bezeichnend für die mit Händen zu greifende Verunsicherung der Männer von der Lahn: Erst Aiden Warnholtz und dann Roland Nyama setzten sich durch und hätten – natürlich bedrängt – per Korbleger abschließen können, suchten aber mit Daniel Norl den freien Mann jenseits der 6,75-Meter-Linie, der allerdings vergab. Als dann auch noch Devon Goodman per Buzzerbeater aus dem Nirwana scheitert, war beim 32:52-Halbzeitstand eine Partie schon fast gelaufen, die die 46ers eigentlich in die Verfolgerrolle der diesjährigen Großen der Branche hätte befördern sollen.
„Immerhin haben wir nach der Pause alles reingeworfen, was wir hatten“, trieb Robin Benzing als „Man of the Match“ seine Jungs zu einem 44:40-„Erfolg“ im zweiten Durchgang, der angesichts einer sehr mäßigen ersten Hälfte allerdings verpuffte wie ein Silvester-Böller, der vorher in einer Pfütze gelegen hatte.
Nach einem Vier-Punkte-Spiel ihres wieder einmal starken Capitanos Robin Benzing, der trotz einiger Fahrkarten aus dem Feld (zwei von sechs Zweier, drei von zehn Dreier) noch auf seine Saisonbestleistung von 24 Punkten (elf von zwölf Freiwürfen) kam, betrug der Rückstand nach 33 Minuten (61:74) nur noch 13 Zähler. „Die Big Shots aber, die uns hätten noch viel näher heranbringen können, die haben wir aber durchgängig nicht getroffen“, haderte der 36-Jährige. Denn spätestens, als Devon Goodman einen eigentlich für Daniel Norl vorgesehenen Pass quer durch die Halle ins Aus unter dem eigenen Korb schleuderte, durften die Gäste am Nikolausabend in der Tat von einer „schönen Bescherung“ sprechen.
Die Gründe hatte: Die RheinStars sammelten 19 Rebounds mehr ein als Gießen. 46 Prozent Trefferquote aus dem Halbfeld, nur 21 Prozent aus Downtown und zehn vergebene Freiwürfe taugen für gewöhnlich nicht dazu, gegen irgendjemanden einen Blumentopf zu ernten. Und nur zehn Assists dienen als Sinnbild für die mäßige Trefferquote, die sich wie ein roter Faden durch die Saison zieht.
„Irgendwie soll es derzeit nicht sein“ ließ Robin Benzing seinem Frust freien Lauf. An einem Nikolausabend, an dem die GIESSEN 46ers am Rhein eigentlich keine Geschenke verteilen, sondern sich selbst belohnen wollten …
Köln: Russell Jr. (20), Watson (6), Hennen, Günther (7), Begue (n.e.), Hujic (6), Davis (5), Zoccoletti (6), Paige (14), Rohwer (12), Onyejika (13), Miller (3).
Gießen: Norl (6), Warnholtz (2), Goodman (6), Castlin (11), Benzing (24), Maier (3), König Figge (7), Vukovic (2), Gloger (6), Nyama, Krajcovic (9).
UND SONST NOCH …
- Unsere Starter: Daniel Norl, Kyle Castlin, Jonathan Maier, Domagoj Vukovic, Simon Krajcovic.
- Unser Konditions-Wunder: Kyle Castlin (33:30 Minuten).
- Unsere stärksten Rebounder: Luis König Figge, Till Gloger (beide 4).
- Unsere erfolgreichsten Passgeber: Simon Krajcovic, Robin Benzing, Devon Goodman, Daniel Norl (alle 2).
- Unsere höchste Führung: 2:0 (1. Minute).
- Unsere erfolgreichste Serie: 7:0 zum 54:67 (29. Minute).
- Unsere emotionalen Beobachter: 640 Zuschauer im Düsseldorfer Castello, davon 150 aus Gießen.
- Unser nächster Auftritt: Sonntag, 14. Dezember (15 Uhr), gegen den BBC Bayreuth.
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