„Ein Kindheitstraum“
Luis Figge über die Einlaufzeremonie der 46ers, das Thema Wertschätzung, einen Maßanzug aus Thailand und Halbfinal-Gegner Science City Jena.
Wenn er die Osthalle betritt, besser gesagt erstürmt, dann rappelt es im Karton. Die Menschen auf den Sitzschalen und -bänken applaudieren, die Fans auf der Stehtribüne trampeln, die Hinter-dem-Korb-Fraktion singt: Luis Elias Figge ist angekommen in Gießen. „Er ist unser Energizer“, wie Cheftrainer „Frenki“ Ignjatovic gerne betont. Ein Flügelspieler, der sich reinhaut. Der hingeht, wo es weh tut. Der trifft, wenn es nötig ist, wovon seine drei erfolgreichen Dreier innerhalb von nur 130 Sekunden unlängst beim 80:61-Sieg gegen Bremerhaven zeugen. Und der sich nach oben zu schrauben weiß, auch wenn andere mehr als 1,97 Meter Körpergröße im Ausweis stehen haben. Schlicht: Einer, der zu begeistern weiß. Den das Publikum mag. Der interagiert, der also auch zurückzugeben weiß. Und dies im dritten Jahr in Serie, was für einen Profi nicht eben alltäglich ist.
An diesem Donnerstag beginnen für Luis Figge und die GIESSEN 46ers die im Best-of-five-Modus ausgetragenen Playoff-Halbfinals der BARMER 2. Basketball-Bundesliga ProA bei Hauptrunden-Sieger Science City Jena, der an diesem Samstag (19.30 Uhr) seine Visitenkarte zu Partie zwei in der Osthalle abgeben wird. Grund genug, mit dem 27-Jährigen, der schon in Braunschweig und Chemnitz BBL-Luft schnuppern durfte, über Vergangenes und Künftiges zu sprechen …
Luis, die Einlauf-Zeremonie der 46ers ist emotional und stimmungsvoll. Was macht es mit dir, wenn die Fans deinen Namen nochmal ein wenig lauter rufen und dir enthusiastischer zujubeln, als sie es bei all deinen Mitspielern zu tun pflegen?
Das ist natürlich eine Riesen-Ehre für mich, auch wenn ich nicht alles so richtig mitbekomme, da vor mir ja schon einige andere Jungs aufs Parkett laufen. Einzulaufen, meinen Namen zu hören und ein Trikot zu tragen, auf dem „FIGGE“ steht, war ein Kindheitstraum von mir. Ich habe ihn mir erfüllt, das ist etwas ganz Besonderes. Und wenn ich spüre, dass das Publikum hinter mit steht, dann freut mich das nicht nur, sondern es ist auch eine Verpflichtung für mich, den Fans etwas zurückzugeben.
Du hast schon viele Hallen in Deutschland gesehen. Was macht die Stimmung in Gießen so einzigartig?
Bei uns gibt es gottseidank keine Klatschpappen, sondern individuelle Gesänge und Sprechchöre. Die Fans verstehen etwas vom Basketball, sie unterstützen uns in einer Art und Weise, die den Gegnern im Kopf haften bleibt, die die Konkurrenten ins Grübeln bringt. Und wenn ich dann auch noch meinen Namen höre, dann verstehe ich das als Wertschätzung für mich und meinen Job.
Du spielst das dritte Jahr in Gießen, du hast an der Lahn nicht nur sportlich, sondern auch privat dein Glück gefunden. Was werden die nächsten Jahre für dich bringen?
Es läuft, sportlich und privat. Ich heirate im Sommer auf Burg Gleiberg meine Freundin Enya. Mehr muss ich zum Thema Wohlfühlcharakter wohl nicht sagen. Ich hoffe, ich kann noch lange in Gießen bleiben, wenngleich das im Profisport ja nicht immer nur abhängig ist vom Athleten.
Kannst du dir vorstellen, in Gießen sesshaft zu werden? Oder zieht es dich irgendwann zurück zu deiner Patchwork-Familie nach Paderborn?
Darüber habe ich mir ehrlich gesagt noch keine großen Gedanken gemacht. Gießen ist jedenfalls ein guter Standort, um sich wohlzufühlen, das merke ich von Woche zu Woche mehr. Die Stadt gefällt uns sehr, wir haben derzeit nicht vor, uns räumlich zu verändern.
Täuscht es, oder bis du erst im letzten Drittel der Saison so richtig in Schwung gekommen? Wenn ja, warum?
Basketball ist eine Statistik-Sportart, ich würde also lügen, wenn ich sagen würde, dass es nicht so wäre. Irgendwie gelingt es mir immer, zum Ende einer Saison oder zu den Playoffs, auf die ich richtig Bock habe, meinen besten Basketball abzurufen. Das Momentum ist auf meiner Seite. Ich muss aber auch sagen, dass ich während der Hauptrunde ein paar gesundheitliche Probleme hatte. Das soll nicht als Ausrede für mangelnde Präsenz auf dem Parkett oder für zu wenige Punkte herhalten. Aber viermal im MRT zu liegen, ist nun mal nicht förderlich. Erst hatte ich mir den rechten Ringfinger, dann den kleinen links ausgekugelt. Dann war ich umgeknickt und hatte einen Teilabriss des Außenbandes, schließlich bin ich bei einer Rettungsaktion auf die Hüfte gekracht. Ich hatte schlicht ein bisschen Pech.
Was hat euch im Playoff-Viertelfinale gegen die Eisbären Bremerhaven ausgezeichnet?
Nach der letzten Hauptrunden-Niederlage an der Nordsee, allemal nach dem 32:50-Rückstand zur Pause der ersten Playoff-Partie, hat es bei uns klick gemacht. Wir haben begriffen, dass wir Gas geben müssen, um etwas zu erreichen. Das hat Bremerhaven offenbar nachhaltig beeindruckt. Ab dieser ersten Hälfte lag das Momentum auf unserer Seite. Wir fühlten, dass wir diesen Vorteil nicht mehr aus der Hand geben sollten.
Warum hat deine Mannschaft auch gegen Science City Jena im Halbfinale eine Chance?
Weil wir mit deren physischem Spiel mithalten können. Ich denke, dass wir mit unserem Auftreten gegen Bremerhaven auch in die Köpfe der Jenaer Spieler hineingekommen sind. Sie haben gemerkt, zu was wir fähig sind. Für uns heißt es nun, in diesem vorweggenommenen Finale auf die Tube zu drücken und gerade im dritten Viertel, das Jena oft sehr stark bestreitet, aufzupassen. Auf dieses Halbfinale haben wir ein ganzes Jahr hingearbeitet, nun wollen wir uns auch belohnen.
Wie groß ist deine Lust auf die BBL?
Ich habe richtig Bock auf die BBL. Für mich wäre es eine persönliche Challenge, für den Standort
wäre es ein Push, der nicht zu unterschätzen ist. Wenn du erst einmal in der Bundesliga bist, funktionieren finanzielle und infrastrukturelle Themen meistens einfacher. Der Club und die ganze Stadt wollen hoch, wir sollten die Chance nutzen.
Ebenso wie Roland Nyama und Jonathan Maier hast auch du noch einen Vertrag für die Spielzeit 2025/26. Wie verbringst du den Sommer bis zum Trainingsstart Mitte August?
Wie gesagt: Mit Heiraten. Vorher fliege ich mit Kumpels nach Thailand, um mir dort einen Anzug maßschneidern zu lassen. Dann freue ich mich auf den Junggesellenabschied, den mein Trauzeuge organisiert. Und meine Selbstständigkeit möchte ich auch pushen, ehe wir im August wieder ins Training einsteigen.
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