„Erst der Treffer, dann der Block …“
Kyle Castlin sorgt mit zwei Aktionen in den letzten 1,6 Sekunden für den 88:86-Erfolg der GIESSEN 46ers im ProA-Spitzenspiel gegen Trier.
„Und, kann ich schreiben, Man of the Match?“ Als der Pressesprecher wenige Minuten nach dem Krimi versuchte, den ansonsten eher zurückhaltenden Kyle Castlin ein wenig aus der Reserve zu locken, ließ dieser keine Zweifel aufkommen, wem nach diesen abermalig denkwürdigen Stunden die Huldigungen der Fans galten. „Klar, wer sonst?“, schmunzelte der 28-Jährige und freute sich unter den Augen seiner extra aus den Staaten angereisten Eltern wie ein kleines Kind. „Erst der Treffer, dann der Block …“
In der Tat: Der „Mann des Spiels“ war eindeutig „KC“, wie ihn seine Teamkollegen stets zu rufen pflegen. Erst schraubte sich der Profi aus Marietta/Georgia 1,6 Sekunden vor dem Ende in die Höhe, um die Kugel zum siegbringenden Korb zu versenken, dann räumte er Amir Hinton bei dessen verzweifeltem Versuch, doch noch die Overtime zu erzwingen, mit einem mächtigen Block ab. „Fair, ohne ihn am Arm zu berühren“, wie Kyle Castlin später gerne betonte.
Mit 88:86 (39:36) hatten die GIESSEN 46ers am Samstag somit auch das zweite Gipfeltreffen der BARMER 2. Basketball-Bundesliga ProA innerhalb von 14 Tage in heimischer Osthalle mit nur zwei Zählern Differenz zu ihren Gunsten entschieden. Erst ein 90:88 gegen den damaligen Rangdritten HAKRO Merlins Crailsheim, dann ein 88:86 gegen „Vize“ VET-CONCEPT Gladiators Trier. Vergessen waren die Ausrutscher von Anfang des Monats in Nürnberg und Bayreuth, keine Rolle mehr spielte die Niederlage eine Woche zuvor bei Spitzenreiter Science City Jena. Viel zu groß war die Freude über die Klasse-Vorstellung gegen das Team aus der ältesten Stadt Deutschlands, das immerhin mit der Empfehlung von acht Siegen in Serie und rund 200 Fans an die Lahn angerückt war.
„Wegen solcher Abende lieben wir unseren Sport so sehr“, war 46ers-Cheftrainer „Frenki“ Ignjatovic beseelt von der Vorstellung der Seinen. „Wir haben nun alles in unseren eigenen Händen, aber noch immer nichts erreicht“, schaute der 58-Jährige angesichts von noch vier schweren Aufgaben gegen Kirchheim und Tübingen sowie in Vechta und Bremerhaven, aber nur drei Siegen Differenz zum Niemandsland der Tabelle, fast ein wenig warnend auf sein Handy, um die anderen Resultate hereinzuholen. „20 Siege sehen nach dem Erreichen der Playoffs aus, aber nur auf den ersten Blick. Wir müssen fokussiert bleiben.“
Eben so wie von Sekunde eins an gegen Trier. 6:0 führten die Hausherren durch vier Punkte des gegen die Gäste-Schränke Maik Zirbes und Marten Linßen wie aufgedrehten Mladen Vujic sowie durch Top-Scorer Simon Krajcovic, der per Solo durch die Reihen der Gladiatoren tanzte wie einst Felix Neureuther durch die Slalomstangen am Ganslernhang von Kitzbühel. Es dauerte sage und schreibe fast fünf Minuten, ehe die Gäste erstmals trafen, das Momentum hatte in der Folge aber weiterhin der Altmeister auf seiner Seite. Aiden Warnholtz stellte per Treffer von jenseits der 6,75-Meter-Linie sowie nach einem Traum-Zuspiel von Jonathan Maier auf 17:13 (11.), Mladen Vujic ließ sich mit breiter Brust vom Block H feiern, als er per And-One das 31:25 (14.) markierte. Und als Kevin McClain nach einem Fehlwurf von Viktor Kovacevic zum 38:28 abgestaubt hatte (16.), war der Gießener Vorsprung erstmals nicht nur zweistellig, sondern hielt es niemanden in der Osthalle mehr auf seinen Sitzen.
„Wir hatten eine hochkonzentrierte erste Halbzeit, haben stark verteidigt und den Ball gut bewegt“, kannte Kapitän Robin Benzing die Gründe für die stets konstante Führung der Gastgeber, die erst im wie so oft dritten neuralgischen Viertel in Gefahr geriet. Und auch dahinschmolz. Mit 28:15 entschieden die Gäste jenen Abschnitt zu ihren Gunsten, lagen plötzlich mit 64:54 (30.) in Front, hatten die Rechnung aber ohne den Wirt gemacht. „Wir haben zusammengestanden und uns als Team präsentiert“, wusste Viktor Kovacevic um die Wiederauferstehung der Seinen, die sich per 11:0-Lauf und einem Korbleger von Kevin McClain über Ex-Nationalcenter Maik Zirbes hinweg nicht nur herangerobbt, sondern sogar die Führung zurückerobert hatten.
„Am Ende ist es echt die Puste ausgegangen“, lobte Gästecoach Jacques Schneider die „gute und clevere Vorstellung“ der 46ers, die in einem Klassespiel das Ruder nicht nur herumreißen, sondern die auch eindeutig die Highlights des Abends für sich reklamieren konnten.
Beispielsweise jenen, als sich Robin Benzing den Rebound nach einem vergebenen Freiwurf von Simon Krajcovic angelte, die Kugel schnell weiterpasste und sich der Slowake nur zwei Sekunden nach seinem Aussetzer von der Linie per Dreier mit dem 77:73 (36.) bedankte. Beispielsweise jenen, als der Capitano höchstpersönlich aus dem Nirwana vorentscheidend auf 84:78 (39.) stellte. Beispielsweise jenen, als der rechtzeitig aus seiner kleinen Formdelle emporschauende Simon Krajcovic zwei seiner insgesamt 22 Punkte frech und selbstbewusst zum 86:83 (40.) besorgte. Und beispielsweise natürlich jenen, mit dem sich Kyle Castlin – zumindest am Samstagabend – unsterblich machte.
„Wir haben einmal mehr gezeigt, dass wir mit den Top-Teams der Liga mithalten können und zu Recht auf Platz drei stehen“, fasste Robin Benzing jenen ob der von „Frenki“ Ignjatovic verkündeten Vertragsverlängerung des im Club so sehr geschätzten Teammanagers Jan Heppner sogar noch rührend endenden Abend treffend zusammen. „Die Reaktion nach der Jena-Niederlage war die richtige, nun gehen wir mit viel Selbstvertrauen in die restlichen Aufgaben.“
Selbstvertrauen, das Kyle Castlin schon wenige Minuten nach seinen beiden siegbringenden Aktionen offenbarte …
Gießen: Warnholtz (13), Heyne (n.e.), Castlin (11), McClain (15), Benzing (6), Maier (2), Figge (2), Nyama, Kovacevic (2), Vujic (15), Krajcovic (22), Brauner.
Trier: Graves (12), Guillozet (4), Yakhchali (27), Hollersbacher (3), Linßen (12), Hinton (14), Roland (7), Hundt (n.e.), Drescher, Rapieque (3), Adekunle (2), Zirbes (2).
UND SONST NOCH …
- Unsere Starter: Kyle Castlin, Robin Benzing, Mladen Vujic, Simon Krajcovic, Nico Brauner.
- Unser Konditions-Wunder: Simon Krajcovic (32:20 Minuten).
- Unser stärkster Rebounder: Mladen Vujic (8).
- Unser erfolgreichster Passgeber: Simon Krajcovic (7).
- Unsere höchste Führung: 38:28, 16. Minute.
- Unsere erfolgreichste Serie: 11:0 zum 69:68, 34. Minute.
- Unsere emotionalen Beobachter: 2614 Zuschauer in der Osthalle.
- Unser nächster Auftritt: Sonntag, 6. April, 15 Uhr gegen die Bozic Estriche Knights Kirchheim.
Der Beitrag „Erst der Treffer, dann der Block …“ erschien zuerst auf GIESSEN 46ers.