„Meine Zahlen sagen Spanien, mein Herz Deutschland“
Bernd Giezek, 46ers-Fanbeauftragter und ausgewiesener Statistik-Experte, über den Ausgang der Fußball-EM, das Dänemark-Spiel, Wetten und seine Liebe zu Polen
Der Ball rollt bei der Fußball-EM – seit zwei Wochen und noch zwei Wochen. Millionen Fans stellen dabei ihren Instinkt und ihr Fachwissen bei Tippspielen unter Beweis. Alles pures Glück? Nein sagt unser Fanbetreuer Prof. Dr. Bernd Giezek, ein ausgewiesener Statistik-Experte, der an der FOM Hochschule in Frankfurt „Quantitative Methoden“ lehrt. Mit Hilfe nackter Zahlen und der richtigen Strategie kann jeder seine Chancen auf den Tippspiel-Sieg erhöhen – selbst ohne größeren Fußball-Sachverstand.
Bernd, die Vorrunde ist beendet, am Samstag trifft Deutschland im EM-Achtelfinale auf Dänemark. Deiner Berechnung nach: Wie groß sind die Siegchancen der Elf von Trainer Julian Nagelsmann?
Zunächst möchte ich nochmal verdeutlichen, dass meine Berechnungen bezüglich einer Rangliste alle vor der EM entstanden sind. Dabei lag Deutschland hinter Spanien, England und Italien auf Platz vier. Dänemark war deutlich dahinter, also halte ich einen Deutschland-Sieg für sehr wahrscheinlich.
Wo wirst du die Partie anschauen?
Entweder schaue ich mit einigen Freunden bei mir zu Hause oder in der Nachbarschaft. Beim zweiten Spiel war ich in der Ludwigsstraße, auch um Fans der 46ers zu treffen, aber am Samstag bin ich dann doch lieber im „sicheren“ Terrain mit kurzen Heimwegen.
Welche Rolle für deine Tipps spielt der Heimvorteil?
Bei der WM 2014 hatten mein Kollege Prof. Dr. Michael Groll, damals an der Sporthochschule Köln, und ich beide Halbfinals richtig vorhergesagt – und der Heimvorteil sprach klar für Brasilien, auch in unserem Modell. Es kam zum Glück anders. Die Variable habe ich seitdem untergewichtet.
Wenn du Geld einsetzen und eine Sportwette auf den Titelgewinner abschließen würdest: Deutschland oder Portugal?
Die beiden Mannschaften liegen in meinen Berechnungen weit genug auseinander, um auch ohne schwarz-rot-goldene Brille auf Deutschland zu tippen. Als Las-Vegas-Fan wette und spiele ich gerne; wie bei vielen Dingen im Leben ist es aber natürlich eine Frage des Maßes.
Wettanbieter veröffentlichen Quoten. Die welchen Einfluss auf einen – sagen wir mal: nicht so Fußball-Interessierten – haben?
Das kann ich nicht einschätzen, ich glaube aber nicht, dass in den vielen Wettrunden die Fußball-Laien noch Zeit investieren, nach diesen zu schauen. Ich nutze die Quoten in meinen Berechnungen; wenn auch als logarithmierte Variable.
Mit welchen Ergebnissen erhöhe ich meine Siegchancen?
Aus statistischer Sicht sind die Empfehlungen für die Tipprunde – auf Basis der früheren Turniere – für die Vorrunde 1:0, 2:0, 1:1 und bei Spielen gegen Underdogs 3:0. Das hat auch diesmal funktioniert, aber das 1:1 ist diesmal die neue Waffe für Tipprunden; nicht für den ersten, aber auf jeden Fall beim zweiten Spieltag. Und die Strategie, dies auch am dritten Spieltag über zu gewichten, hat sich für mich ausgezahlt. Jetzt, in der Finalrunde, bleibe ich bei 1:1 und 1:0. Wenn der Leistungsunterschied extrem ist, dann jage ich auch mal ein 2:0 raus.
Welche Faktoren sind wichtig für deine Berechnungen?
Bei den Wetttipps geht es um relative Häufigkeiten, also um Prozentwerte. Ich schaue mir seit 2000 die vergangenen Turniere an, werte die Daten sehr sorgfältig aus und komme dann zu den Ergebnissen, die ich auch veröffentliche. Ich habe das auch mal eine KI machen lassen, aber zum Glück ist die in dem Bereich noch nicht so weit. Für das Ranking der Mannschaften und damit für den Tipp, welche Teams wie weit kommen, ist das Modell deutlich komplexer. Logarithmierte Wettquoten hatte ich schon erwähnt, Marktwert der Mannschaften, Anzahl der Finalrunden in vorherigen Turnieren und vieles mehr. Das führt zum Beispiel dazu, dass bei mir Italien weit oben ist, obwohl die bei der Qualifikation viel Glück hatten; und das hält scheinbar an. Eine Dusel-Variable habe ich noch nicht einbauen können.
Hat derjenige Unrecht, der auf ein Land tippt, bei dem ihm die Trikotfarbe am besten gefällt?
Meine Liebe ist Rot, und daher müsste ich auf Mannschaften tippen mit roten Trikots. Als Nachfahre von Ruhrpolen wäre das einfach für mich, aber meine Zahlen raten dringend von Tipps für Polen ab. Als erstes großes Spiel habe ich 1974 in einem kleinen Schwarz-Weiß-TV die Wasserschlacht von Deutschland gegen Polen in Frankfurt gesehen, seitdem mag ich das deutsche Trikot. Lila mag ich nur bei einer 100-Gramm-Packung. Ich denke, jeder darf auch nach Trikotfarbe oder Aussehen der Spieler tippen. Es geht doch am Ende um den Spaß auch auf den hinteren Rängen.
Wer wird denn nun Europameister?
Meine Zahlen sagen Spanien, mein Herz Deutschland.
Und vor allem: Wie schneiden denn die 46ers kommende Saison ab?
Ich hatte noch nie eine so emotionale Saison wie die letzte. Das liegt auch an der Mannschaft, aber auch in großem Maße an unseren Fans. Wie die auch im bittersten Moment dieser Saison wertschätzten, was unsere Mannschaft geleistet hat, macht mich als Fanbeauftragten extrem stolz. Ich glaube, dass wir in dieser Saison das schaffen, was wir in der letzten Saison schon verdient hätten. Und dann gibt es mindestens ein Fass aus Lich in unserem Fanbistro von mir!
ZUR PERSON
Prof. Dr. Bernd Giezek lehrt „Quantitative Methoden” an der FOM Hochschule in Frankfurt und ist Geschäftsführer des Unternehmens SpeedRepeat in Gießen. Ehrenamtlich arbeitet der 59-Jährige, der mit seiner Familie im Pohlheimer Stadtteil Watzenborn-Steinberg lebt, als Fanbetreuer der JobStairs GIESSEN 46ers. Außerdem macht und produziert er unter seinem Künstlernamen Roberto Bates Popmusik.
28.06.24
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